Von der Firma Jolla (Nokia-Leute) und ihrem SailfishOS (Meego-Basis) haben wir schon gehört (siehe auch). Nun sind die ersten Jolla-Phones angekommen und Heise hat getestet.
Die Hardware ist untere Mittelklasse.
- 13 cm x 6 cm x 1 cm
- 140 Gramm
- 5,4 Zoll Display
- 8 MPixel und 1 MPixel Kamera
- Dual Core Prozessor 1,4 GH
Aber sowohl das Gerät als auch das Betriebssystem bieten eine Reihe von interessanten Features.
Das Jolla-Phone bietet unter seinem Cover nicht nur den Akku, SIM- und SD-Karte, sondern auch einen Anschluss für Hardware-Erweiterungen. Die Firma Jolla will die Spezifikationen der Schnittstelle offen legen, um damit Bastlern die Möglichkeit zu geben das Gerät nicht nur auf Software-Ebene zu erweitern.
Auf dieser Schnittstelle basiert anscheinend auch die Wechselcover-Funktion von der in der Vergangenheit bereits berichtet wurde. Durch den Wechsel des Covers soll sich die Oberfläche farblich automatisch an das Cover anpassen. Diese Funktion sollte wohl nur eine Demonstration der Schnittstelle sein.
Zu den Möglichkeiten der Hardware-Erweiterung finden sich schon erste Ideen und Gesprächsgruppen, die zum Beispiel verschiedene Möglichkeiten einer angebauten Tastatur planen.
Das Betriebssystem SailfishOS kommt von Haus aus mit einem relativ unveränderten Linux, mit vollem Root-Zugriff. Das erlaubt umfangreiche Eingriffe, und lässt die Änderung/Erweiterung der Gerätefunktionen schon mit einfachen Bash-Skripten möglich werden.
Das System verwendet außerdem die Skriptsprache „QML“ (wikipedia: qml) sowohl für die eigene Oberfläche, als auch für native Apps. Das ermöglicht auch hier den Eingriff direkt auf dem Gerät, ohne kompilieren zu müssen.
SailfishOS bringt außerdem eine Android-Runtime und den App-Store von Yandex mit. Eine Menge Android-Apps können also installiert werden, und weitere Stores lassen sich hinzufügen.
Eine gewöhnungsbedürftige Neuerung ist anscheinend die Steurung. So werden im SailfishOS fast alle Eingaben durch Wisch-Gesten gemacht. Selbst einen „Home-Button“ gibt es nicht.
Das Jollaphone hat abgesehen vom An-/Ausschalter und den Lautstärkereglern keine Tasten. Auch virtuelle Buttons für „Home“, „zurück“ oder „Menü“, wie man sie von Android kennt, gibt es nicht. Stattdessen navigiert man mit Gesten durch Apps, Menüs und Oberflächen (siehe Video).
Das muss man erst mal erlernen: Mit einem Wisch von links nach rechts bewegt man sich beispielsweise durch Dialoge oder akzeptiert Änderungen. Wischt man leicht nach unten, öffnet sich ein Einstellungsmenü („Pulley-Menü“) — zumindest wenn für die aktive App ein solches mitbringt. Wischt man vom rechten Bildschirmrand aus nach links, wechselt man in eine Übersicht der zuletzt geöffneten Apps mit Statusanzeige. Ein Wisch vom oberen Bildschirmrand nach unten beendet die aktive App, ein Wisch von unten blendet einen Bereich mit Ereignissen und Benachrichtigungen ein.
Nach einer kleinen Eingewöhnungs-Phase navigierten wir aber trotzdem souverän durch das System und dann machte die Gestensteuerung sogar Spaß; auch deshalb, weil sich Sailfish damit grundsätzlich flüssig bedienen lässt und die Wechsel zwischen verschiedenen Ansichten ohne Ruckeln klappen.
Alles in allem bietet sich hier eine Plattform mit einigen neuen Ansätzen, und zusätzlich einer Menge an Gestaltungs- und Erweiterungsmöglichkeiten wie man sie selten findet. Wobei man zeitgleich ein bereits fertig nutzbares Smartphone in der Hand hält. Zudem ist das ganze System noch in der Startphase, was einen frühen Einstieg und frühes Mitwirken ermöglicht. Vielleicht haben wir ja hier den nächsten großen-kleinen Heim-Hobby-Bastler-Traum. So eine Art Raspberry der Smartphones?
Die Firma Jolla ist hier zu finden: http://jolla.com/
Der App-Store hier: https://harbour.jolla.com/
Ein ausführlicherer Artikel zum SailfishOS auf Golem: Intelligenter Baukasten zum Basteln und Portieren
Zu dem SailfishOS-Ahnen „Maemo“ gibt es eine Gesprächsgruppe, und von Jolla wurde eine Stackoverflow-ähnliche Plattform ins Leben gerufen.
https://together.jolla.com/questions/
Der Heise-Artikel mit dem ausführlicheren Testbericht findet sich hier: Das Jollaphone im Test
Die Diskussion zur Tastatur hier:
http://talk.maemo.org/showthread.php?t=91535
Und hier noch ein kleines Werbevideo, weil es so schön ist: