Oder was schlechtes Interface-Design bedeuten kann.
Seit aufkommen der ersten ScienceFiction-Serien und -Filme hat man zwei Dinge feststellen können: eine erstaunlich gute Vorhersagefähigkeit von Menschen die sich Zukunftstechnologie in fiktiven Welten ausdenken, und eine erstaunlich schlechte Vorhersagefähigkeit von Menschen die sich Zukunftstechnologie in fiktiven Welten ausdenken.
Beispiele: StarTrek erfand bereits tragbare Kommunikatoren und Scanner, hatte aber merkwürdigerweise die Technik der Sicherheitsgurte verlernt. In StarTrek – Next Generation waren zusätzlich noch kluge Computer (aka. künstliche Intelligenz), konfigurierbare Touch-Screens und Tablets zu sehen, aber immer noch keine Sicherheitsgurte. In StarTrek – Deep Space Nine gab es Datenbrillen, aber auch keine Sicherheitsgurte. Darüber (und andere komische Technik-Designs) hat man sich immer wieder lustig gemacht. Mindestens so sehr wie über die Überlicht-Fähigkeiten der StarWars Raumschiffe, die dafür aber die Funktechnik verlernt haben (das gute alte Kabel-Headset lässt grüßen). Woher kommen diese merkwürdigen Diskrepanzen?
Für die guten Vorhersagen haben wir gute Erklärungen. Solche Filme und Serien versuchen zum einen möglichst glaubwürdige Welten zu liefern, also auch eine glaubwürdige Vorhersage zu liefern. Das führt immer dazu das Phantasiewelten logische Kinder ihrer jeweiligen Zeit sind, weil bestehende Technologien und Konzepte aus der Forschung in der Phantasie logisch fortgesetzt werden. Zum anderen sind diese Phantasien aber auch wieder Inspiration für die reale Welt und deren Forschung und Produktentwicklung. Hier bedingt also das eine das andere: Eine versuchte Prognose trifft auf eine Ideen-suchende Wirtschaft. Womit gute Ideen in ScienceFiction eine nicht so schlechte Chance haben einmal in der realen Welt umgesetzt zu werden. Die ScienceFiction ist dann im Grunde genau das: fiktive Wissenschaft, im Grunde Forschung (ResearchPhantasie?).
Für manche der schlechten Vorhersagen haben wir auch eine Erklärung: die Dramatik. Es wirkt eben dramatischer wenn bei einer Weltraumschlacht Leitungen explodieren und Menschen herum fliegen und verletzt werden, auch wenn man in der realen Welt keine potentiell explodierenden Leitungen durch das Kommandozentrum eines Schiffes verlegen würde. Hier muss man manchmal auch ein Auge der künstlerischen Freiheit zudrücken.
Und die Merkwürdigen Ideen? Warum wir in der Zukunft noch Hebel und Schalter als Bedienelemente haben? Man könnte meinen auch hier wäre einfach ein witziges Design angestrebt worden. Ganz so witzig ist das allerdings gar nicht.
Das Problem
Die US-Navy hat nun ermittelt das Touch-Screens gar nicht so gut sind auf der Brücke eines Schiffes. Es hat sogar Unfälle mit Toten und Verletzten gegeben, weil die Bedienung des Schiffes in der Praxis zu Chaos führte. So hat augenscheinlich ein Zerstörer eine ungeplante Wende vollzogen und geriet dabei in die Fahrspur eines Tankers. Das konnte nur passieren weil es Verwirrung um die Bedienung des Schiffes gab.
Ursache war die unterschiedliche Ansteuerung der beiden Schiffsschrauben. Bei der Konfiguration der Steuerung und dem Transfer der Steuerung von einer Station auf eine andere kam einiges durcheinander. Das Personal war unerfahren und hatte keinen Überblick über den tatsächlichen Stand der Konfiguration und die Lage der Kontrollen. Man ging zwischenzeitlich sogar von einer Störung in der Steuerung aus. Um zu reagieren wollte man letztendlich das Schiff stoppen. Da die Lage der Kontrollen aber falsch eingeschätzt wurde, stoppte nur eine der beiden Schrauben während die andere unverändert weiter läuft. Ab diesem Zeitpunkt war es zu spät noch etwas zu tun. Ergebnis: Der Zerstörer dreht, der Tanker rammt den Zerstörer, 10 Matrosen sterben im eindringenden Wasser.
Warum man nicht gemerkt hat das nur eine Schraube stoppt? Weil es nicht deutlich angezeigt wurde, es gab nur einen kleinen Haken am unteren Ende eines konfigurierbaren Displays der diesen Sachverhalt verriet. Schlechtes Interface-Design das in einer kritischen Situation wesentliche Informationen nicht ausreichend zur Verfügung stellte als schnelle Entscheidungen nötig waren.
Die Lösung
Man möchte wieder zurück zu Hebeln und Schaltern. Der Vorteil hierbei ist das die Matrosen bei der Bedienung der Elemente haptisches Feedback bekommen ob die Aktion / Eingabe erfolgreich war oder nicht. Ein ganz einfaches menschliches Interaktionsmittel: ich bekomme bei der Bedienung eines Elements ein direktes Feedback über den Erfolg meiner Eingabe.
Nehmen wir ein greifbares Beispiel: ein Bremspedal im Auto. Ich trete, ich spüre Widerstand, ich weiß es klappt. Nicht nur das, an dem Maß des Widerstandes kann ich ablesen welche Bremskraft ich aktuell ausübe. Wenn ich das Pedal betätige und keinen Wiederstand spüre, weiß ich sofort das ich ein Problem habe. Somit haben wir Eingabe und Ausgabe kombiniert und der Person eine direkte Interaktion mit Feedback bereit gestellt, was der Person eine instinktive Anpassung der Interaktion ermöglicht. Gutes Interface? Vermutlich, bisher hat niemand etwas besseres gefunden. Kaum jemand würde auf die Idee kommen hier ein Touch-Panel als Ersatz anzubieten. Oder?
Was lernen wir daraus?
Gutes Interface-Design muss nicht auf neuen Technologien basieren. Manchmal ist die alte Methode nicht schlecht, oder bietet zumindest Vorteile die man nicht einfach außer acht lassen sollte. Wenn Personen bei der Bedienung von Maschinen im unklaren darüber sind ob ihre Eingaben erfolgreich sind oder welchen Effekt die Eingabe hat, erschweren wir die Interaktion. Wenn wesentliche Informationen nicht ausreichend dargestellt werden, erschweren wir Entscheidungen. Dann nützt auch schöne neue Technik nichts. Durch ihren Einsatz allein wird noch nichts geheilt. Der durchdachte Einsatz unter Berücksichtigung der Anforderungen und Umgebungsbedingungen, den braucht es. Am Ende stellt sich immer die Frage ob es dadurch besser ist.
Wir dürfen nicht vergessen, wir sind Menschen. Mit Händen und Füssen. Wir sind biologisch darauf getrimmt mit unserer Umwelt zu interagieren. Diese Interaktion umfasst aber mehr als unsere Augen und Fingerspitzen. Touch-Screen ist keine schlechte Technologie, aber Touch-Screen-only würde wesentliche Teile der menschlichen Möglichkeiten zur Interaktion vernachlässigen.
Und somit scheint es gar nicht mehr so weit weg das wir Raumschiffe mit Hebeln, Knöpfen und Schaltern sehen werden. Weil diese Bedienelemente einfach Möglichkeiten bieten die ein Touch-Screen (bisher, noch) nicht bietet.
https://de.wikipedia.org/wiki/USS_John_S.McCain(DDG-56)#Kollision_mit_dem_Tanker_Alnic_MC
https://www.heise.de/news/US-Kriegsmarine-baut-Touchscreens-wegen-Unfallgefahr-aus-4493593.html