Dominanz vs. Toleranz

Frage: Soll man dominieren, oder tolerieren?

Beispiel:

Sollen wir Menschen die Welt dominieren, oder andere Arten tolerieren, oder uns gar um sie kümmern? Eine gute Frage. Sie kann auf beliebige Themen ausgedehnt werden, Bevölkerungsgruppen, Staaten, Lebensweisen, Glaubensrichtungen, was auch immer. Bleiben wir bei dem bekannten Beispiel der Artenvielfalt.

Überlegung:

Beginnen wir mit der Dominanz. Der Mensch hat bereits so einige Lebensformen verdrängt. Er ist durchaus in der Lage ganze Arten von Kontinenten zu verdrängen, oder komplett auszurotten. Den Bären und Wölfen in Europa ist es nicht gut ergangen als sie eine Konkurrenz für die Menschen wurden.

Nun ist die Frage, dürfen wir das? Aus den Augen der Natur betrachtet ist die Antwort recht einfach. Eine dominante Spezies verdrängt eine unterlegene. Arten sterben aus. Das war schon immer so, und passiert laufend. Für die Natur ist das kein Problem.

Die Frage entsteht aber aus einer Besonderheit des Menschen: er ist in der Lage, nicht nur ganz gezielt sondern vor allem geplant eine Art zu vernichten. Er ist aber im Gegenzug aber auch in der Lage, eben diese Vernichtung gezielt und geplant zu vermeiden. Hier steckt der wesentliche Knackpunkt: wenn eine Art eine andere verdrängt, dann tut sie das aus den Umständen heraus. Jede Art versucht zu überleben und/oder seine Nachkommenschaft zu sichern. Sollte eine andere Art dabei das Nachsehen haben, ist das (so weit wir das mit unserem bescheidenen Wissen beurteilen können) eben mehr oder weniger Pech. Natürliche Auslese.

Nun kann man das gleiche Argument für die Menschen ins Feld führen. Wenn eine Art verschwindet, weil wir Städte bauen, ist das eben natürliche Auslese. Stimmt, nichts gegen zu sagen. In dem Fall sind wir die dominante Spezies und verdrängen alles das was sich nicht anpassen kann. Fertig.

Diese Lösung ist aber leider ein wenig zu einfach. Zum einen bedeutet das, das wir gegenüber anderen Arten nicht besser und nicht schlechter sind. Wir drücken unsere Dominanz durch um unser überleben zu sichern. Mehr nicht. Das wirft die Frage auf, ob wir uns überhaupt entwickelt haben, oder ob wir nur technisch begabte Tiere sind.

Der zweite Punkt zielt auf die Arten die sich anpassen. Wenn wir uns umschauen, welche Arten sich gut an ein Leben mit den Menschen, und in Städten, angepasst haben, stellt sich die Frage ob das die Arten sind mit denen wir unsere Zeit gerne teilen möchten. In den meisten Städten gibt es immerhin mehr Ratten als Menschen, und zwar nicht als Haustiere.

Das alles führt zu dem dritten Punkt. Der Frage, ob aus den Möglichkeiten die wir haben, nicht auch die Verantwortung erwächst. Aus großer Macht folgt große Verantwortung? Kann sein, kann auch nicht sein. Fakt ist: wenn man Möglichkeiten hat, muss man immer entscheiden, ob man sie nutzen will oder nicht. Das führt zu einem Dilemma, weil auch immer die Frage mitschwingt, ob man es tun sollte oder irgendwie dazu verpflichtet ist. Muss ich helfen, nur weil ich es kann? Hab ich dadurch Vorteile, oder Nachteile? Eine gute Frage. Tausende Antworten. Keine Lösung.

Was die Natur angeht ist die Lösung glücklicherweise im ersten Ansatz viel einfacher. Die Natur benötigt ja keine Hilfe. Wie sollten wir der Natur auch helfen, wir als ihre Kinder und Emporkömmlinge? Was wissen wir schon, das wir wüssten wie man helfen kann? Nein, das ergibt keinen Sinn. Unser Wissen ist noch viel zu begrenzt, wir kennen viel zu wenige Zusammenhänge, und haben doch im Grunde keine Ahnung war wir da tun. Helfen würde doch bedeuten, das wir auch wissen wo die Reise hingehen soll. Aber wer weiß das denn schon? Einem Prozess helfen zu wollen, der so viele Millionen Jahre älter ist als wir, und von dem wir keine Ahnung haben wo hin er führt oder führen soll, ist nichts anderes als anmaßend. Das kann höchstens aus Zufall gut gehen. Aber bis da hin, wissen wir nicht was wir da tun.

Dem folgt aber in logischer Konsequenz, das wir eben nicht aktiv helfen sollten, weil wir nicht wissen wie es richtig geht. Damit bleiben zwei Optionen: dominant sein und einfach auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, oder tolerant und allen anderen genug Raum übrig lassen.

Das Problem ist ja, das wir wie oben erwähnt nicht wissen wo die Reise hingeht. Weder für andere, noch für uns selber. Das bedeutet aber, wenn wir zu viel verändern ohne das Ziel zu kennen, kann es passieren, das wir mit unserer Entwicklung in einer Sackgasse landen. Dann wäre die Sicherheit unserer Nachkommen eben doch nicht gewährleistet, egal wie dominant wir waren.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis: Wenn man nicht weiß wo die Reise hingeht, ist es klug sich alle Optionen offen zu halten, und keinen der Wege zu verbauen. Wenn sich ein Weg als Sackgasse erweist, steht mir der andere noch offen. Ich verbaue mir nichts. Das würde auch bedeuten das wir uns eben doch entwickelt haben: wenn wir unsere Optionen erkennen, und ebenso die Tatsache das wir nicht wissen welche die richtige ist, und daraus folgernd darauf achten uns nichts zu verbauen. Das wäre wohl ein Schritt in der Entwicklung einer Art, den man anerkennen könnte. Wenn eine Art bewusst dafür sorgt, das ihre Entwicklung weitergehen kann, indem sie alle Wege offen hält und so Sackgassen vermeidet.

Demnach sollten wir bei allen Änderungen, dem Vorhandenen so viel Raum einräumen, das wir notfalls dort hin zurück können. Auf diese Weise vermeidet man Sackgassen. Und wir haben doch bisher nur eine Menschheit. Also eine Sackgasse wäre jetzt echt blöd. Zumal wir doch wirklich absolut keinen Plan haben, was richtig ist. Auch außerhalb der Artenvielfalt.