Kanzler der Republik

Was ist eigentlich ein Bundeskanzler? Staatsoberhaupt ist er nicht wie wir letzte Woche gelernt haben.

 

Bundesadler der deutschen Bundesorgane

Die Funktion des Bundeskanzlers

Der Bundeskanzler ist der Regierungschef, nicht das Staatsoberhaupt. Er steht in protokollarischer Rangfolge an dritter Stelle, nach dem Bundespräsidenten und dem Bundestagspräsidenten. Trotzdem ist er faktisch der mächtigste Amtsträger. Das liegt unter anderem daran das er sämtliche Minister ernennen und entlassen kann. Weiterhin gilt die „Richtlinienkompetenz“. Demnach soll er die Richtlinien der Politik bestimmen und dafür die Verantwortung tragen.

Dem entgegen stehen zwei Prinzipien: das Ressortprinzip und das Kollegialprinzip. Gemäß dem Ressortprinzip leiten die Minister ihre Ministerien (also ihr Ressort) in eigener Verantwortung, der Kanzler darf nicht direkt eingreifen. Das Kollegialprinzip besagt das Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung vom Kabinett entschieden werden sollen.

In der Praxis handelt es sich also um ein Wechselspiel der Macht. Der Kanzler darf dem Minister nicht eingreifen, aber er kann den Minister im Gegenzug entlassen sollte dieser aus der Spur laufen. Beide können also nicht allein ihren Willen durchsetzen. Meinungsverschiedenheiten müssen im Kabinett entschieden werden. Dem hinzu kommt die Gesetzgebung, für die eine Zustimmung von Bundestag und Bundesrat notwendig ist. Damit habe alle Fraktionen der jeweiligen Institutionen ebenfalls einen gewissen Einfluss. Verliert der Kanzler den Rückhalt der Parteien ist er in Tag und Rat praktisch handlungsunfähig und kann nicht mehr regieren. Ganz zu schweigen von der Option des Misstrauensvotums im Bundestag, womit schon der ein oder andere Kanzler abgelöst wurde. Und über all dem sitzt noch der mahnende Posten des Bundespräsidenten, ohne dessen Unterschrift kein Gesetz zustande kommt.

Dieses Wechselspiel der Mächte ist die Konsequenz aus den Erfahrungen mit der Weimarer Republik und der Machtübernahme von Hitler. Man wollte nie wieder die Gefahr laufen das zu viel Macht auf eine Person vereint wird. Tatsächlich kann der Bundeskanzler nicht mal den Krieg ausrufen, selbst dieser muss erst vom Bundestag beschlossen werden. So paradox das klingt, so ist es doch nicht mehr als gewonnene Erfahrung.

Für den Bundeskanzler gibt es übrigens keine Begrenzung der Amtszeit. In den USA beispielsweise dürfen Präsidenten nur maximal zwei Amtszeiten verbleiben, danach dürfen sie nicht wieder gewählt werden. Für den Bundeskanzler gilt das nicht, er könnte theoretisch unendlich oft wieder gewählt werden.

Die Liste der Bundeskanzler

  1. Konrad Adenauer: 1949 bis 1963
  2. Ludwig Erhard: 1963 bis 1966
  3. Kurt Georg Kiesinger: 1966 bis 1969
  4. Willy Brandt: 1969 bis 1974
  5. Helmut Schmidt: 1974 bis 1982
  6. Helmut Kohl: 1982 bis 1998
  7. Gerhard Schröder: 1998 bis 2005
  8. Angela Merkel: seit 2005

 

Konrad Adenauer, „der alte“

Bundesarchiv B 145 Bild-F078072-0004, Konrad Adenauer.jpg Konrad Adenauer war der erste Bundeskanzler der neuen Bundesrepublik Deutschland. Dementsprechend war seine Zeit von einer ersten Definition und Verständnis der Rolle des Bundeskanzlers geprägt, welche von seinen Nachfolgern übernommen und fortgeführt wurde.

Er brachte sowohl die deutsch-französische wie auch die deutsch-jüdische Aussöhnung voran. Er betrieb den NATO-Beitritt, die Gründung der EGKS und rief die dynamische Rente ins Leben. Ihm wurde die wirtschaftliche Erholung Westdeutschlands (das Wirtschaftswunder) zugeschrieben und es gelang ihm ein stabiles Land mit einer breiten Mittelschicht zu entwickeln.

Konrad Adenauer blieb 14 Jahre im Amt, bis zu seinem 88. Lebensjahr. Das ist länger als die Weimarer Republik überhaupt bestand hatte.

 

 

Ludwig Erhard, „der Dicke“

Bundesarchiv B 145 Bild-F022484-0016, Landtagswahlkampfreise Bundeskanzler Erhard.jpg Ludwig Erhard kam als Mann des Wirtschaftswunders in das Amt des Kanzlers, was er auch durch sein äußeres zu verkörpern wusste.

Er nahm erste außenpolitische Beziehungen zu Israel auf und stärkte die Anbindung an die USA, musste aber auch mit einem ersten nachlassen des wirtschaftlichen Aufschwungs leben.

Der nachlassende Aufschwung und Streitigkeiten in der Koalition ließen ihn schließlich nach nur drei Jahren zurück treten.

 

 

Kurt Georg Kiesinger, „Häuptling Silberzunge“

Bundesarchiv B 145 Bild-F024017-0001, Oberhausen, CDU-Parteitag Rheinland, Kiesinger (cropped).jpg Kurt Georg Kiesinger war der erste Kanzler einer großen Koalition aus CDU und SPD.

Seinen Spitznamen verdankte er der Tatsache das er zwischen CDU und SPD eher vermittelte statt zu bestimmen. Er setzte die Notstandsgesetze durch, war aber wegen seiner früheren NSDAP-Mitgliedschaft vielen Angriffen ausgesetzt.

Gegen Ende seiner Amtszeit verfehlte seine Union die Wiederwahl.

 

 

Willy Brandt

Bundesarchiv B 145 Bild-F057884-0009, Willy Brandt.jpg Willy Brandt war der erste Sozialdemokrat als Bundeskanzler.

Sein bekanntester Akt war der Kniefall in Warschau vor dem Ehrenmal für die Opfer des Warschauer Ghettos. Er erhielt 1971 den Friedensnobelpreis und bewältigte 1973 die Ölkrise.

Nach der Enttarnung von Günter Guillaume (enger Mitarbeiter von Brandt) als DDR Spion folgten zahlreiche Vorwürfe bezüglich der Integrität des amtierenden Kanzlers. Dadurch sah sich Willy Brandt 1974 zum Rücktritt gezwungen. Er begründete seinen Schritt damit das er das Amt des Kanzlers über jeden Zweifel erhaben sehen will.

 

 

Helmut Schmidt, „Schmidt Schnauze“ und „Elder Statesman“

Verteidigungsminister Helmut Schmidt.jpg Helmut Schmidt folgte nach dem Rücktritt von Willy Brandt als zweiter SPD-Kanzler.

Seine Amtszeit wurde in erster Linie vom Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) und dem NATO-Doppelbeschluss geprägt. Bezüglich der RAF verfolgte Helmut Schmidt den Kurs das der Staat sich nicht erpressen lassen dürfe. Seinen Spitznamen „Schmidt-Schnauze“ verdankte er der Tatsache auch unpopuläre Themen unverblümt anzusprechen. Der NATO-Doppelbeschluss war auch in seiner eigenen Partei heftig umstritten, Schmidt vertrat die Entscheidung trotzdem auch Jahre nach seiner Amtszeit noch als die zu der gegebenen Zeit richtige.

Der NATO-Doppelbeschluss führte letzten Endes auch zu den Streitigkeiten die den Abtritt von Helmut Schmidt einläuteten. Seine Amtszeit endete mit einem Misstrauensvotum durch Helmut Kohl.

 

 

Helmut Kohl, der „ewige Kanzler“

KAS-Kohl, Helmut-Bild-14701-1.jpg Helmut Kohl übernahm das Amt von Helmut Schmidt nach dem von ihm eingeläuteten Misstrauensvotum. Damit kam erneut ein CDU-Mitglied in das Amt des Kanzlers.

Die Amtszeit von Helmut Kohl ist stark mit der Vollendung der Vision eines einigen Europa verbunden. Das Schengener Abkommen, die deutsche Wiedervereinigung und nicht zuletzt der Euro spiegeln dies am besten wieder. Eben diese Wiedervereinigung führte allerdings auch zu massiven wirtschaftlichen Problemen.

Die Amtszeit von Helmut Kohl endete nach 16 Jahren (länger als alle Bundeskanzler zuvor), was ihm seinen Spitznamen als „ewiger Kanzler“ einbrachte. Nach Ende seiner Amtszeit wurde Kohl vor allem für seine Spendenaffäre bekannt, in der er zugunsten seiner Partei nicht nur Spenden angenommen hat deren Herkunft unklar war, sondern später auch die Aussage verweigerte und somit eine Aufklärung verhinderte.

 

 

Gerhard Schröder

Gerhard Schröder (cropped).jpg Mit Gerhard Schröder kam nach der 16-jährigen Kohl-Ära 1998 wieder ein Sozialdemokrat ins Amt des Bundeskanzlers. Er war der dritte Sozialdemokrat in diesem Amt.

Neben einigen Reformprojekten traten vor allem außenpolitische Ereignisse ins Rampenlicht. Die Bundeswehr-Einsätze im Kosovo und Afghanistan im Rahmen des NATO-Bündnisses stellten die ersten militärischen Einsätze der Bundeswehr auf nicht-deutschem Boden dar. Den Einsatz im Irak-Krieg verweigerte er mit dem Hinweis auf die mangelnde Rechtmäßigkeit. Er war der erste Kanzler der den USA in ihren kriegerischen Ambitionen nach 09/11 die Stirn bot, was außenpolitisch zu einigen Turbulenzen führte. Der Irak-Krieg wurde später als völkerrechtswidrig erachtet und viele der sogenannten Beweise die von den USA vorgelegt wurden entpuppten sich als Täuschung. Innenpolitisch brachte ihm die Verweigerung viel Anerkennung und vermutlich auch die Wiederwahl 2002 ein.

In der zweiten Amtszeit begann er die Agenda 2010, eine Reform der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes. Über die Agenda 2010 gab es einige Uneinigkeit, den einen ging es zu weit, den anderen nicht weit genug. Über die daraus entstehenden Zerwürfnisse stellte Gerhard Schröder die Vertrauensfrage und erreichte Neuwahlen für 2005. Die Wahlen endeten mit einer großen Koalition aus CDU und SPD, mit Angela Merke an der Spitze.

 

 

Angela Merkel, „Kohls Mädchen“

Angela Merkel (August 2012) cropped.jpg Angela Merkel kam 2005 über eine Vertrauensfrage ins Amt, ganz ähnlich ihrem Parteigenossen Helmut Kohl. Sie war die erste Bundeskanzlerin und ebenso die erste ehemalige DDR-Staatsbürgerin im Amt. Ihren Spitznamen konnte sie ablegen als sie mit ihrem Förderer Helmut Kohl über seine Spendenaffäre brach.

Ihre anfängliche Beliebtheit büßte sie relativ schnell wieder ein. Vor allem mit dem Vorwurf der Führungsschwäche sieht sie sich des öfteren konfrontiert. Dieser Vorwurf und die das mangelnde Vertrauen in ihre Person und Position sind vermutlich auch auf ihre Wankelmütigkeit zurück zu führen. Selbige zeigte sich vor allem in dem Thema Atomkraft: kurz vor der Katastrophe von Fukushima war die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken gegen alle Widerstände bereits beschlossen, da diese als Sicher angesehen wurde. Nach der Katastrophe von Fukushima wurden sämtliche Beschlüsse ohne weitere Diskussion zurück genommen, und von der vorher verkündeten Sicherheit war keine Rede mehr. Diese und weitere, scheinbar der Stimmungslage geschuldete, Kehrtwendungen brachten ihr einen eher zweifelhaften Ruf der Wandlungsfähigkeit ein. Vielfach wird eine klare Position vermisst.

In ihre Amtszeit fallen zahlreiche Herausforderungen. Die Föderalismusreform, die Gesundheitsreform, die Finanzkrise, die Eurokrise und die Flüchtlingskrise. In beinahe allen Bereichen war sie heftigen Kritiken und dem Vorwurf des Mangels einer klaren Linie ausgesetzt. Zu den herausragenden Veränderungen ihrer Amtszeit zählen die Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes.

Die wankelmütige Positionierung scheint unterdessen Erfolg zu zeigen. Die derzeit laufende dritte Amtszeit endet 2017. Im Falle einer Wiederwahl würde sie bezüglich der Amtszeit mit ihrem früheren Förderer gleichziehen.

 

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinienkompetenz

https://de.wikipedia.org/wiki/Ressortprinzip

https://de.wikipedia.org/wiki/Kollegialprinzip

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundeskanzler_%28Deutschland%29

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO

https://de.wikipedia.org/wiki/EGKS

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzliche_Rentenversicherung_(Deutschland)#Dynamik

https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftswunder

https://de.wikipedia.org/wiki/Kniefall_von_Warschau

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lkrise

https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Guillaume

https://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Armee_Fraktion

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss

https://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Abkommen

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wiedervereinigung

https://de.wikipedia.org/wiki/Euro

https://de.wikipedia.org/wiki/CDU-Spendenaff%C3%A4re

https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovo

https://de.wikipedia.org/wiki/Terroranschl%C3%A4ge_am_11._September_2001

https://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan

https://de.wikipedia.org/wiki/Irak-Krieg

https://de.wikipedia.org/wiki/Agenda_2010

https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Fukushima

https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deralismusreform

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheitsreform_in_Deutschland

https://de.wikipedia.org/wiki/Finanzkrise_ab_2007

https://de.wikipedia.org/wiki/Eurokrise

https://de.wikipedia.org/wiki/Fl%C3%BCchtlingskrise_in_Europa_2015