So, nun hat es sie endlich erwischt. Seit gestern Abend toben wilde Meldungen über ein abgehörtes Handy der Kanzlerin durchs Netz. Heute morgen ist eine Welle daraus geworden.
Es geht wohl, wenn ich bei all den Meldungen nicht schon was durcheinander bringe, um eine Anfrage des Spiegel und die daraus gewonnene Erkenntnis, das die NSA das Handy der Merkel abgehört hat. Das führte zu prompten Reaktionen.
In den letzten Monaten tauchte ja rund um Prism und co ein Skandal nach dem anderen auf. So viele, das ich hier eine Serienmeldung mit dem Titel „Prism today“ einführte, und so viel, das ich irgendwann aufgehört habe darüber zu schreiben.
Die Regierung blieb dabei überaus inaktiv. Man tat nichts, oder beschwichtigte. So sagte der Pofalla im August noch
„Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung.“ (Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU))
Und Friedrich legte einen drauf, er meinte schon im Juni
„Noch bevor man überhaupt weiß, was die Amerikaner da genau machen, regen sich alle auf, beschimpfen die Amerikaner. Und diese Mischung aus Anti-Amerikanismus und Naivität geht mir gewaltig auf den Senkel.“ (Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU))
Nun, jedem seine Meinung. Es gab durchaus einige Beweise, eine Menge Zweifel, und einen Zeugen den man hätte befragen können. Aber man fragte lieber die Freunde, die USA, und die sagten alles ist gut. Damit war die Affäre für die Regierung beendet.
Nun ist plötzlich alles anders. Nun geht es um das Telefon der Merkel. Und die Merkel, die ist offenbar mehr wert als alle Bundesbürger zusammen.
Wenn ein Bundesbürger abgehört wird, ist das kein Grund zur Aktivität. Bei allen Bundesbürgern? Auch nicht. Wenn die Merkel abgehört wird, dann wird der US-Botschafter einbestellt, und es gibt Sondersitzungen, und das alles in weniger als 24 Stunden.
Verständlicherweise hagelt es von allen Seiten Kritik und Häme, Europaweit. Das hat sich die Merkel jetzt aber auch redlich verdient wie ich finde.
Eine sehr schöne Zusammenfassung findet sich in einem Kommentar auf Heise:
„Die Vereinigten Staaten überwachen ihre Kommunikation nicht und werden sie auch nicht überwachen“: Jetzt muss sich Angela Merkel also mit einer dieser Phrasen abspeisen lassen, mit denen ihr Kanzleramtsminister bisher die NSA-Affäre gegenüber der deutschen Öffentlichkeit für beendet erklären wollte. Sie erinnern sich? Mitte August wollte Ronald Pofalla wider jede Faktenlage und Logik einen Schlussstrich unter den NSA-Skandal ziehen. NSA und GCHQ hätten ihm „schriftlich versichert“, dass sie sich „in Deutschland“ an Recht und Gesetz halten.
… Bislang war es offenbar egal, dass die Kommunikation von 80 Millionen Deutschen abgeschnorchelt wird, darunter verfassungsrechtlich besonders geschützte wie die von Rechtsanwälte und Journalisten. Jetzt ist Angela Merkel selbst betroffen – und das zieht sofort scharfe Reaktionen nach sich. Offenbar will sich Merkel jetzt nicht mehr hinhalten lassen, wie bisher, und fordert die Beantwortung von Fragen, die schon vor Monaten gestellt wurden.
Kommentar: NSA-Affäre – hoffentlich sind sie jetzt aufgewacht
Kanzler-Handy im US-Visier? Merkel beschwert sich bei Obama (spiegel)
Linke kritisiert Merkels späte Reaktion auf Spähaffäre (spiegel)
Internationale Pressereaktionen (spiegel)
Zitatsammlung von Regierungsvertretern (spiegel)
Merkel’s call to Obama: are you bugging my phone? (guardian)
Es war Merkels Parteihandy (frankfurter allgemeine)
„Wer die Kanzlerin abhört, der hört auch die Bürger ab“ Thomas Oppermann
NSA-Affäre: Angela Merkel wurde wohl abgehört und beschwert sich (heise)
NSA-Spionage gegen Merkel: Westerwelle bestellt US-Botschafter ein (heise)