SOZ/SCO, fka Shanghai Five

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, SOZ (Shanghai Cooperation Organisation, SCO) wird 20 Jahre alt. Aber was ist das eigentlich?

Das ist eine regionale Organisation die sich die folgenden Ziele gesetzt hat:

  • die Stärkung des Vertrauens unter den Mitgliedstaaten
  • die Mitwirkung und Zusammenarbeit auf politischen, wissenschaftlichen, technischen, kulturellen, touristischen und ökologischen Gebieten, im Bereich des Handels, der Energie und des Transports
  • die gemeinsame Gewährleistung und Unterstützung von Frieden und Sicherheit in und zwischen den Regionen der Mitgliedsländer
  • Lösung und Beilegung von Konflikten

Warum das interessant ist? Nun, das ist vor allem interessant wenn man sich die beteiligten Länder ansieht:

  • China
  • Indien
  • Iran
  • Kasachstan
  • Kirgisistan
  • Pakistan
  • Russland
  • Tadschikistan
  • Usbekistan

Mit China und Russland sind zwei Vertreter größerer internationaler Konflikte und Machtkämpfe in dieser Organisation vertreten. Mit Indien und China zwei der Bevölkerungsreichsten Länder. Mit Pakistan, Indien, China und Russland gleich mehrere atomare Mächte. Insgesamt verortet man in dieser Organisation außerdem ganze 40% der Weltbevölkerung und ein viertel der Weltweit verfügbaren Landflächen. Sie stellt damit die weltweit größte Regionalorganisation dar. Das sind schon mal ein paar interessante Fakten.

Dennoch hört man hierzulande wenig von dieser Organisation. Was erstaunlich ist. Nicht nur der Anteil an der Weltbevölkerung und die vertretenen Großmächte sollten Grund genug sein sich hier zu informieren. Auch die dortige Konzentration an Bodenschätzen, Produktionskapazitäten und die technologische Entwicklung der Region sind bemerkenswert, besonders wenn man die potentiellen Absatzmärkte in der vorhandenen Bevölkerung einkalkuliert.

Ein weiterer überaus interessanter Faktor ist die Frage, wie kann diese Organisation überhaupt funktionieren? Denn: ein Großteil der beteiligten Länder befindet sich auch untereinander im (teilweise militärischen) Konflikt.

Gute Nachbarn ohne Einmischung

China und Russland hatten nach Ende der Sowjetunion einige offene Grenzkonflikte zu lösen. China, Indien und Pakistan haben weiterhin offene Diskussionen über Grenzverläufe. Kirgisen, Tadschiken und Usbeken treffen ebenfalls gewalttätig aufeinander. Die Grenze zu Afghanistan ist ein ständiger Quell für Sorgen, diverse über die Grenzen verteilte Bevölkerungsgruppen gelten mal hier mal dort als Minderheit. Alles in allem genügend Stoff für Verhandlungen. Wie löst die SOZ das?

Im Grunde mit einem Konzept von „Leben und leben lassen“, zumindest unter den Staaten. Die SOZ entstand aus ihrer Vorgängerorganisation, den „Shanghai Five“ von 1996. Hier waren nach Zusammenbruch der Sowjetunion die ersten fünf Mitglieder (China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan) zusammen gekommen mit dem erklärten Ziel die gemeinsamen Grenzen zu befrieden (Vertrag über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen). Das hat gut funktioniert. Die Zahl der Konflikte ist gesunken und es folgte eine Reduzierung der Streitkräfte (Vertrag über die Reduzierung der Streitkräfte in Grenzregionen).

Das Konzept funktionierte so gut das man 2002 aus den Shanghai Five durch Aufnahme weiterer Länder die SOZ machte. Mit Indien und Pakistan traten zwei Länder bei die kurze Zeit später direkt im (begrenzten) militärischen Konflikt miteinander standen. Trotzdem besteht die Organisation nach wie vor.

Das Geheimnis scheint die Konzentration auf gemeinsame Vorteile zu sein. Man reduziert gemeinsame Konflikte wo es geht (Ressourcen freisetzen für beide), ist ein guter Nachbar wenn möglich (gemeinsamer Handel, Forschung, …), mischt sich ansonsten nicht in die internen Konflikte der anderen ein und leistet sich keinen militärischen Beistand. Im Gegensatz zu Organisationen wie der NATO gibt es hier keine Vereinbarung zu allgemeiner Unterstützung im Falle eines Angriffs. Somit ist ein militärischer Konflikt zwischen einzelnen Mitgliedern auch nicht per se ein Problem für alle anderen.

Das Konzept der guten Nachbarschaft bei gleichzeitiger Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Man kann zu dieser Vorgehensweise und den Beteiligten Ländern sicher noch viele Fragen stellen, doch ein paar Dinge lassen sich nicht leugnen: Das Konzept hat Erfolge hervorgebracht, Grenzen befriedet, und es handelt sich um eine Organisation die einen ganz erheblichen Teil an wirtschaftlichem und militärischem Potential dieses Planeten in sich vereint. Mitten drin eine der größten aufstrebenden Wirtschaftsmächte unserer Zeit, die hier mal so eben ihre Grenzen absichert und Nachbarn zu Partnern macht. In dieser Organisation steckt also noch einiges an Potential. Ein gelegentlicher Blick darauf lohnt sich mindestens aus marktwirtschaftlicher Perspektive.

https://de.wikipedia.org/wiki/Shanghaier_Organisation_f%C3%BCr_Zusammenarbeit

China, Russland und die „SOZ“ | Mit offenen Karten