Sind keine Karawanen mit Laptops …
Der Begriff der digitalen Nomaden ist eine Wortschöpfung die dem Grunde nach nichts mit nomadischen Stämmen oder den Karawanen zu tun hat die wir damit verbinden. Es soll lediglich das Bild des mobilen, umherziehenden ohne dauerhafte Basis vermittelt werden. Wobei hier auch nicht durch eine digitale Welt gewandert wird, sondern durch die reale Welt.
Während Nomaden in der Regel ein familiärer Verband oder Stamm aus mehreren Familien war, handelte es sich bei einer Karawane um eine Händlergemeinschaft die sich zusammenschloss um gemeinsam den Gefahren einer Reise zu begegnen. Beides trifft auf digitale Nomaden nicht zu, eher im Gegenteil.
Digitale Nomaden wollen keinen festen Arbeitsplatz an einem Ort, nicht mal in einem Land. Sie leben und arbeiten mobil. Sie ziehen durch die Welt und arbeiten mit digitalen Mitteln von dem Ort aus an dem sie sich gerade befinden, möglicherweise auch für verschiedene Arbeitgeber (sehr ähnlich der virtuellen Assistenz). Dabei reisen sie aber in der Regel alleine oder als Paar. Zusammenkünfte gibt es eher an Zielorten. Nicht selten wird online in der Gemeinschaft gefragt wo man gut überwintern kann, wo es gutes Netzwerk zum arbeiten gibt oder einfach wo es schön ist. Insbesondere Alleinreisende suchen gelegentlich nach Gleichgesinnten (anderen digitalen Nomaden) um sich auszutauschen.
Während es bei den Nomaden also eher darum ging der Nahrung zu folgen (Tiere folgen Weidegründen, Menschen folgen Tieren) und bei den Karawanen darum gemeinsam die Reise zu bewältigen (Durchquerung der Wüste), geht es bei den digitalen Nomaden darum schöne Orte zu finden an denen man eine Zeit lang Leben und arbeiten kann, ohne dabei den Arbeitgeber vor Ort zu haben.
Ist das die Zukunft?
Eine gute Frage. Im Rahmen des steten kulturellen Wandels sehen wir gerade aktuell einige deutliche Umbrüche. Gerade die digitalen Mittel haben im Rahmen der Pandemie einen deutlichen Schub bekommen und die Möglichkeiten der Remote-Arbeit enorm vereinfacht. Zusätzlich greifen viele Firmen vermehrt auf Freelancer zurück um Aufgaben zu delegieren und dadurch leichter zu skalieren als mit festen Mitarbeitern. Gleichzeitig bringen die neuen digitalen Arbeitsmittel Aufgaben mit sich für die Freelancer prädestiniert sind. Einen Social-Media-Berater kann man Problemlos aus dem Kreise derer rekrutieren die sich ohnehin über Social-Media vernetzen. Je stärker die Fraktion der „digital natives“ im Arbeitsleben wird, desto selbstverständlicher werden solche Arbeitsplätze.
Abgesehen davon ist für den Lebensstil des digitalen Nomaden trotzdem ein bestimmter Charakter nötig. Mit der ganzen Familie und schulpflichtigen Kindern ein solches Leben zu führen ist nicht einfach. Es gab immer Menschen die einen anderen Lebensstil bevorzugten (Aussteiger, Hippies, Kommunen, Kloster, …), aber es bedarf mehr um daraus einen gesellschaftlichen Umbruch zu machen. Das ist nicht für jedermann ein Traum. So verwundert es nicht das viele digitale Nomaden diesen Lebensstil nicht dauerhaft pflegen. Es gibt Fälle in denen der Modus einige Jahre anhält und dann die Rückkehr in den festen Wohnsitz angestrebt wird, es gibt aber auch Fälle in denen der Wohnsitz einfach saisonal gewechselt wird. Die Übergänge sind hier fließend.
Zusätzlich bringen spezielle Formen des Nomadenlebens neue Probleme mit sich. Einige der digitalen Nomaden haben es sich zur Aufgabe gemacht eine Form der Staatenlosigkeit zu erreichen die jedwede Form von Steuern vermeidet. In diesen Kreisen tauscht man sich über Möglichkeiten aus gezielt durch das Raster zu fallen, also sich derart aus Staaten abzumelden oder Fristen verstreichen zu lassen das man gar keiner Verantwortung mehr nachkommen muss. Meist geht das einher mit einer erzwungenen Mobilität, weil man sich dann in den meisten Ländern nur für bestimmte Zeit aufhalten darf, sonst muss man dort wieder gemeldet sein. Diese scheinbare totale Freiheit funktioniert nicht mehr nach dem Prinzip einer Gemeinschaft. Die betroffenen Personen nutzen weiterhin öffentliche Ressourcen (Verkehrsnetze, Ver- und Entsorgung, medizinische Notfallversorgung, polizeiliche Unterstützung, …), tragen aber nicht mehr in dem Maße dazu bei wie andere. Hier muss die Frage erlaubt sein ob das Konzept funktionieren würde wenn es ein genereller kultureller Wandel wäre.
Abgesehen von den Extrembeispielen bleibt aber eine Gruppe von Menschen die eine alternative Form des Lebens erproben. Hier werden die Möglichkeiten, Vorteile und Nachteile solcher Lebensweisen von Menschen ausgelotet die Lust dazu haben, was immer eine gute Idee ist. Daraus können wir alle lernen und Möglichkeiten der Verbesserung entdecken. Solange es uns auf neue Ideen bringt, ist es immer einen Versuch wert.