Krieg in der Ukraine

Eine Einschätzung nach zwei Jahren Krieg …

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Der Krieg in der Ukraine von dem wir aktuell sprechen ist Ergebnis und Stand der Entwicklungen an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland. Ursachen und Einflussfaktoren die zu dieser Entwicklung geführt haben sind zahlreich und gehen weit über diese beiden Länder hinaus. Mit der NATO und somit einem Großteil der westlichen Staaten sind bereits zahlreiche Interessen im Spiel, während mit Russland, China, dem Iran und der SOZ zahlreiche weitere, hierzulande häufig weniger bekannte, Faktoren im Spiel sind. Nicht zu vergessen das der aktuell als Krieg bezeichneten Phase bereits wesentliche Ereignisse vorausgingen, Zum Beispiel die Annexion der Krim 2014. Ein mehr oder weniger kriegsähnlicher Zustand ist also deutlich älter als die aktuelle Phase. Sämtliche Faktoren und Interessen aufzulisten würde den Rahmen eines Artikels sprengen. Ich konzentriere mich daher auf Schlüsselereignisse der aktuellen Phase und versuche diese einzuschätzen.

Eckpunkte

Mit dem Vorstoß Russlands im Februar 2022 war eine erkennbarer Schlag gegen die Hauptstadt der Ukraine zu sehen. Eine Eroberung der Hauptstadt hätte der russischen Seite psychologische und strategische Vorteile gebracht und eine schnelle Entscheidung des Konflikts mit guter Verhandlungsbasis für Russland ermöglicht. Auffällig war der schnelle und scheinbar erfolgreiche Vorstoß der russischen Truppen, der dann an entscheidenden Punkten zum erliegen kam und letztendlich scheiterte. Dies lässt auf eine gute Vorbereitung der Ukraine auf einen derartigen Vorstoß schließen.

Die Eroberung der Hauptstadt misslang und Russland zog seine Truppen relativ zeitnah aus dem Gebiet um die Hauptstadt und dem Norden der Ukraine wieder zurück. Die hier erfolgten großflächigen Rückeroberungen der Ukraine waren auch auf den Rückzug zurückzuführen. Auffällig hierbei war nicht nur die Geschwindigkeit mit der Russland seine Truppen verlegen konnte sondern auch die teilweise erstaunlich unbehelligten Abzüge aus Brückenköpfen, teilweise über Engpässe.

Die russische Armee nutzte die freigewordenen Kräfte im Osten und Süden der Ukraine für großflächige Geländegewinne. Diese waren zunächst erfolgreich, der Konflikt wandelte sich aber schnell in einen Stellungskrieg und verharrte. Wesentliche Änderung war ein vermehrter Einsatz von Drohnen sowohl zur Aufklärung als auch Bekämpfung von Gegnern. Auffällig hierbei die Verlagerung des Kampfes auf ständiges Beobachten von gegnerischen Bewegungen mit anschließender schneller Bekämpfung von Ansammlungen von Truppen oder Material. Gleichzeitig mussten eigene Mittel wie Geschütze und Abschussvorrichtungen nach dem Einsatz schnell verlagert werden da sonst Gegenschläge folgten.

Gegen Ende 2022 erfolgten die letzten größeren Geländegewinne durch Gegenoffensiven der Ukraine im Süden bis zur Rückeroberung von Cherson und im Osten bis zur Rückeroberung der Gebiete östlich von Charkiw. Danach wandelte sich der Konflikt endgültig in einen Stellungs- und Abnutzungskrieg. Offensiven haben begrenzten Erfolg, die Geländegewinne beschränken sich auf wenige Kilometer und einzelne Ortschaften. Beide Seiten bauen tief gestaffelte Verteidigungslinien auf. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Juni 2023 sorgte insbesondere im Süden der Ukraine für eine weiter festgefahrene Situation. Auffällig hierbei war eine Konzentration des Konfliktes auf die Versorgung. So wurde in der allgemeinen Wahrnehmung die Versorgung der Ukraine mit Material und Waffen durch westliche Verbündete zum ausschlaggebenden Faktor für den weiteren Verlauf des Krieges, insbesondere für die Fähigkeit zur Rückeroberung, während die Verbündeten der Ukraine diese Versorgung gleichzeitig sehr stark von der aktuellen Lage im Krieg abhängig machten.

Bei beiden Kriegsparteien waren 2023 deutliche Ermüdungserscheinungen zu erkennen. Die Ukraine hatte ihre eigenen Reserven bereits (mehrfach) aufgebraucht und benötigte sowohl neue Kräfte aus der eigenen Bevölkerung als auch neues Material von den Verbündeten. Auf russischer Seite war insbesondere der Personalwechsel auf Führungsebene und der Aufstand und spätere Tod von Jewgeni Prigoschin auffällig. Die Frage schien in erster Linie welcher der Parteien zuerst die Möglichkeiten oder die Unterstützung ausgehen. Auffällig dabei war aber auch das keine der Parteien den Willen zeigte den Konflikt durch größere militärische Erfolge beenden zu wollen. Insbesondere bei den Verbündeten der Kriegsparteien war ein mehr oder weniger deutliches Bekenntnis zur Vermeidung weiterer Eskalation des Konfliktes nicht zu leugnen.

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Resümee

Rückblickend war die Entwicklung der Ereignisse lange Zeit auf die Eskalation in einen Kriegszustand ausgelegt. Aus dem politischen Kräftemessen wurde ein militärisches, aus dem militärischen wurde ein wirtschaftliches. In dem nun stattfindenden Abnutzungskrieg entscheidet am Ende wer langfristig besser Material liefern kann.

Dabei schien der Angriff der russischen Seite nie wirklich auf eine vollständige Eroberung abzuzielen. Es gab währende der ersten Phase des Krieges russische Verbände in Belarus die eine weitere Front im Norden der Ukraine hätten eröffnen können, aber in dieser Form nie zum Einsatz kamen. Obwohl ein solcher Einsatz die Versorgung der Ukraine durch Verbündete hätte erschweren können. Auch die Anzahl der Truppen die von russischer Seite im Vorfeld des Überfalls stationiert wurden schienen für eine vollständige (flächendeckende) Eroberung nicht plausibel. Der Angriff auf die Hauptstadt hätte eine Kapitulation erzwingen können, diese Option scheint aber mit den heutigen Fähigkeiten mobiler Kommandozentralen und schneller Verlegung derselben unwahrscheinlich. Zumal die Erwartung einer Auseinandersetzung und die Erfahrungen der vorhergehenden Jahre eine Vorbereitung der ukrainischen Führung erwarten ließ. Somit wäre mit Eroberung der Hauptstadt eine gute Verhandlungsbasis und ein militärischer Erfolg erzielt worden, eine vollständige Kapitulation aber nicht zu erwarten gewesen.

Eine wesentlich plausiblere Zielsetzung für die sichtbare Vorgehensweise ist der teilweise Geländegewinn mit besonderem Augenmerk auf eine Landverbindung zur Krim. Der Angriff auf die Hauptstadt hätte bei weitergehenden Erfolgen das Land in der Mitte oder entlang des Dnepr teilen können. Da dies nicht glückte hat man einen kleineren Teil des Landes im Osten erobert und befestigt diesen nun. Die eroberten Gebiete lassen eine Verbindung mit der Krim über Land ebenso wie eine deutlich gesteigerte Kontrolle der Seeflächen rund um die Krim zu. Damit hat Russland einen Zugang zum Schwarzen Meer und die volle Kontrolle über das Asowsche Meer. Sind das strategische Ziele die erreicht wurden?

Ausblick

Es gibt bereits erkennbare Ergebnisse aus dem Krieg. Auf der einen Seite sind verschiedene Bündnisse auf beiden Seiten deutlicher sichtbar geworden als sie das vorher waren. Auf der anderen Seite sind militärische Mittel und Taktiken im Einsatz gewesen und haben gezeigt wie wirksam sie sind.

Auf der taktischen Ebene hat man neue Konzepte erprobt und alte Methoden wieder entdeckt. Auf technischer Ebene hat man neue Mittel getestet. Drohnen in der Luft und am Boden, Drohnen die aufklären sollen machen Panzer ausfindig, Drohnen die Panzer zerstören sollen werden von Drohnen abgefangen die zur Bekämpfung von Drohnen gebaut wurden. In ukrainischen Kellern umgebaute zivile Drohnen werden von einzelnen Soldaten ins Ziel gelenkt, während gegnerische elektronische Aufklärung den steuernden Soldaten ausfindig macht und als Ziel für die Artillerie, oder die eigenen Drohnen, markiert. Die Kampfmittel werden kleiner, mobiler und technisch raffinierter. Der Kampf wird schneller. Einer der Gründe für den stockenden Stellungskrieg liegt in der Tatsache das beide Parteien zwischenzeitlich über so viel Aufklärung verfügten das es keinem der beiden möglich war eigene Truppen oder Material für einen konzentrierten Angriff zu sammeln, ohne diese direkt zum Ziel zu machen und deren Vernichtung zu riskieren.

Gleichzeitig haben alle Beteiligten aus dem laufenden Konflikt gelernt. Während man die Produktion von großem Gerät (Panzer, Flugzeuge, Schiffe) beim Gegner durch die eigene Kriegsführung gut stören kann, kann man im Keller umgebaute Drohnen kaum verhindern. Trotzdem muss das eigene Gerät gegen diese Mittel geschützt werden. Solche Anpassungen sieht man auf der taktischen wie auf der technischen Ebene, sowohl im Feld wie auch bei den Herstellern.

So ziemlich jeder Hersteller oder Besitzer von militärischem Gerät hat seine Mittel der einen oder anderen Seite zur Verfügung gestellt. Somit ist auch sehr vieles an landgestützter Technik in diesem Konflikt erprobt worden. Das reicht von verschiedenen Fahrzeugen über unterschiedliche Formen an Artillerie und Marschflugkörpern bis hin zu Flugzeugen und eben allen Arten von Drohnen. Inklusive der Abwehrmittel gegen jede der eben genannten Technik. Die gesammelten Erfahrungen fließen zurück zum Hersteller und in die Armeen. Dabei gilt ein allgemeines Kredo der Aufrüstung und Modernisierung bestehender Armeen vor dem Hintergrund der neuen Sicherheitslage und Erkenntnisse. Insofern werden wir in den nächsten Jahren vermutlich einige rundum modernisierte Armeen in Europa sehen.

Und die Ukraine? Spätestens mit den eingefrorenen Mitteln der USA gegen Ende 2023 und dem US-Wahlkampf 2024 ist die Unterstützung von dort schwieriger geworden. Der zusätzliche Konflikt in Israel seit Ende 2023 und dessen Ausweitung auf Handelsschiffe durch Huthi-Rebellen, die wiederum vom Iran unterstützt werden, welcher mit Russland verbündet ist, machen es nicht einfacher. Dann kommt noch der Handelsstreit zwischen den USA und China ins Spiel, wobei China mit dem Iran und Russland Beziehungen pflegt und gerne Taiwan eingliedern würde, welches von den USA geschützt werden will. Alles in allem ein schwieriger Cocktail, der eine Lösung in der Ukraine teuer macht.

Es ist nicht anzunehmen das Russland die besetzten Gebiete in der Ukraine räumen wird. Zumal die strategischen Vorteile die man bisher gewonnen hat teuer erkauft wurden und ein Rückzug in der eigenen Bevölkerung schwer verkauft werden kann. Und es gibt derzeit keinen Grund. Russland kann die Front halten, die Ukraine kann sie aktuell nicht durchbrechen und sein Territorium aus eigener Kraft befreien. Beide Seiten hatten erstaunlich viel Zeit sich in ihren jeweiligen Gebieten zu verschanzen. Tatsächlich wäre vorstellbar das der Konflikt sich in diesem Status immer weiter festfährt und zum neuen de facto Standard wird. Die Ukraine als neues geteiltes Land zwischen Ost und West? Das kennen wir doch irgendwie.

https://de.wikipedia.org/wiki/Annexion_der_Krim_2014

https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_des_russischen_%C3%9Cberfalls_auf_die_Ukraine

https://de.wikipedia.org/wiki/Zerst%C3%B6rung_des_Kachowka-Staudamms

https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_der_Gruppe_Wagner_in_Russland

https://de.wikipedia.org/wiki/Dnepr

https://de.wikipedia.org/wiki/Asowsches_Meer


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