Oder warum Chefs heute nicht mehr Chef sein können.
Früher
Früher war alles besser. Nein, wirklich! Ich meine die Zeiten in denen man noch überwiegend mit Papier gearbeitet hat. Da drehten sich die Räder noch nicht so schnell, die Themen waren nicht so zahlreich, das benötigte Wissen nicht so vielfältig. Es gab Zeiten in denen der Chef genau wusste was die Untergebenen zu tun hatten. Da konnte man in einen Betrieb kommen, die Arbeit machen, befördert werden.
Wenn man den Job selber jahrelang gemacht hat, vermutlich auch gut, wurde man befördert und war nun Chef in einem Bereich den man kannte. Wenn neue Mitarbeiter kamen, wandten die sich an den Chef, der wusste was zu tun war, der kannte den Job, er war der alte Hase. Es gab durchaus die Situation in der ein Vorgesetzter auch wirklich die Person war die den Laden einfach schon am längsten kannte und am besten Bescheid wusste.
Zugegeben, das Beispiel mag einfach klingen, aber es stimmt. Besser noch: selbst wenn die Person nicht direkt aus dem Bereich stammte, sondern aus der Nachbarabteilung oder einem anderen Betrieb, bestand doch eine reelle Chance das es trotzdem eine Person war die sich lange in solch einem Betrieb aufgehalten hat. Eine Person die schlau genug war befördert zu werden und durchaus in der Lage sich in den neuen Bereich einzuarbeiten. Vielleicht sogar aus Bereichen kam die ähnlich genug waren um weitestgehend gleich zu funktionieren.
Kurz gesagt: in der guten alten Zeit gab es Chefs die sich auskannten und Bescheid wussten. Chefs die jeder anderen Person im Betrieb genau sagen konnten wo der Hase lang läuft. Und heute?
Heute
Heute ist alles komplizierter. Praktisch jeder hat einen Computer und Internet an seinem Arbeitsplatz. Oder in der Hosentasche. Der Computer weiß ganz schön viel und man kann noch viel mehr Wissen abrufen. Der Computer hat mehr Datenblätter in seinem Speicher als der Chef von früher in seinem Kopf haben konnte. Die meisten davon kann er sogar selber ausfüllen, aus dem Kontext.
Wir müssen dem Computer nur noch dort helfen wo er die Dinge nicht selber tun kann, also die Kreuze im Formblatt setzen die er nicht versteht. Und da beginnt das Problem: wir müssen jetzt alle selber die Kreuze setzen, die früher der Chef gesetzt hat. Oder die wir beim Chef erfragt haben. Wir müssen auch die schwierigen Fälle außerhalb des Musters klären, die wir früher einfach dem Chef gegeben haben. „Das ist Chefsache“ gibt es nicht mehr, denn dann haben wir ja nichts mehr zu tun. Zwischen den früheren Chefentscheidungen und dem Computer ist nichts mehr, unseren alten Job macht jetzt der Computer.
Was bedeutet das? Das bedeutet, vereinfacht gesagt, das wir das Wissen das früher die Teamleitung hatte, jetzt auf Ebene der Sachbearbeiter haben. Die Aufgaben der Sachbearbeiter sind so weit automatisiert das die Sachbearbeiter jetzt deutlich mehr wissen müssen um noch einen Beitrag leisten zu können. Der Computer ist der neue Sachbearbeiter, und der Sachbearbeiter ist sein Teamleiter. Das bedeutet die Sachbearbeiter brauchen deutlich mehr Fähigkeiten als früher.
Waren wir die Computer?
Haben wir unsere Mitarbeiter früher etwa wie Computer behandelt? Nun, um Grunde ja. Was macht man wenn man eine große Organisation steuert? Man erzeugt Prozesse. Formblätter die durch Büros wandern mit Kästchen drauf die Informationen ausdrücken. Das ist der Fluss an Information der Abläufe steuert. Je einfacher und automatisierter, desto zuverlässiger. Ich musste neue Mitarbeiter nicht Jahrelang anlernen, sie mussten nur wissen das ein Kästchen A auf Blatt X und ein Kästchen B auf Blatt Y bedeuteten das ein Kästchen C auf Blatt Z angekreuzt werden musste. Das reichte für den ersten Tag, los geht es. Um den Datendurchsatz im Büro zu erhöhen konnte ich fünf weitere Personen anheuern und die konnten nach zwei Tagen flüssig arbeiten.
Wenn solche Mitarbeiter nach drei Jahren an diversen Schreibtischen eine Reihe verschiedener Formblätter kennengelernt haben, und zusätzlich zeigten das sie die Zusammenhänge erkennen konnten, waren sie reif für eine Beförderung. Die oben erwähnte Teamleitung. Das war gut, man hatte hier in einer Person nicht nur Fachwissen angesammelt, sondern zusätzlich über die Zeit den nötigen ergänzenden Softskill erkannt. Diese Teamleitung konnte den neuen Mitarbeitern sagen wie es läuft, helfen wenn es den Standard verließ und konnte erkennen wenn etwas falsch läuft. Richtig gute Teamleiter konnten sogar Verbesserungen vorschlagen. Was schon ein Indikator für weitere Beförderungen war.
Heute kennen wir das Bild von damals eigentlich nur noch aus Filmen. Zum Beispiel Filme die während oder nach dem zweiten Weltkrieg spielen. Lange Reihen von Tischen an denen, zu der Zeit meist, Damen sitzend Schreibmaschinen bedienen und Formulare oder Briefe tippen. Ähnlich funktionierten Telefone. Zentralen voll mit Menschen die Anrufe entgegen nehmen, den gewünschten Teilnehmer abfragen, und dann das richtige Kabel in den richtigen Anschluss stöpseln. All diese Menschen haben im Grunde wie Computer gearbeitet.
Das Dilemma
Wo ist jetzt das Problem? Nun, diese Arbeitsplätze gibt es heute nicht mehr. Mit aufkommen der Computer wurden diese Anfangs noch wie bessere Schreibmaschinen behandelt. Die Computer wurden aber klüger, sie wurden besser genutzt, sie vereinfachten Dinge, nahmen Routine ab. Damit waren all die Menschen die früher einfache Dinge taten überflüssig. Was brauchen wir nun? Wir brauchen Experten.
Um die neuen Computer nutzen zu können braucht es die Fähigkeiten die früher die Teamleiter hatten. Ich muss nicht mehr wissen welches Kabel in welchen Anschluss gehört, sondern ich muss das Netzwerk gestalten können. Ich stecke keine Kabel mehr, sondern ich definiere wo das Kabel bei Bedarf hin gehört. Personen die früher den Schreibkräften gesagt haben wie Vorgänge zu bearbeiten (tippen) sind, können dies nun selbst mit wenigen Klicks erledigen. Die Schreibkraft ist weg. Das Team auch. Statt dessen braucht es nun nur noch Menschen mit Überblick die deutlich weiter ausgebildet sind. Experten.
Daraus sind neue Teams entstanden. Nun sitzen die Experten für verschiedene Vorgänge innerhalb einer Kette oder eines Bereichs in einem Team. Die können sich untereinander kaum noch austauschen. Jeder kennt sein Fachgebiet und ein bisschen vom Gebiet der anderen, aber nicht so richtig. Und der Leiter des neuen Teams? Der kennt sich auch ein bisschen aus, in allen Bereichen. Er kann seinem Team aber nicht mehr sagen wie sie ihren Job zu tun haben. Er ist vielleicht dank Betriebszugehörigkeit noch immer der alte Hase, aber das bringt ihm keinen Vorteil in Bezug auf Wissen mehr. Er hat nicht mehr Wissen über die Tätigkeiten seiner Leute, als seine Leute. Meistens eher weniger.
Und wie soll er sie nun anleiten?
Eine Lösung
Vereinfacht gesagt, gar nicht. Jedenfalls nicht mehr so wie früher, sondern anders. Heute kann ich als Chef nicht mehr losgehen und allen Haarklein erzählen wie sie ihren Job zu machen haben. Aus mehreren Gründen nicht. Zum einen kann ich es nicht weil ich nicht dazu in der Lage bin. Ich bin kein Experte für jedes einzelne Fachgebiet. Dank unserer Möglichkeiten der Automatisierung benötigen wir kaum noch Routine-Tätigkeiten. Um Ergebnisse zu erzielen bringen wir statt dessen hochspezialisierte Fachkräfte zusammen, deren Tätigkeiten ich ungefähr verstehe aber nicht gut genug um sie darin anzuleiten. Das bringt uns zu dem zweiten Grund. Es macht keinen Sinn. Warum soll ich einer Person die ich extra für ein Spezialgebiet engagiert habe, erklären wie sie ihren Job machen soll? Damit erzeuge ich bestenfalls schlechte Stimmung, schlimmstenfalls Chaos und Kündigung.
Ich kann also kein Vorbild für den Arbeitsablauf sein, oder die Arbeit definieren. Statt dessen habe ich einen neuen Job. Ich kann ein Vorbild für die Art der Arbeit sein. Für die Art der Kommunikation. Für die Art des Umgangs miteinander. Ich kann das Team zusammen bringen, einen guten Teamgeist fördern. Ich kann mich um die Kommunikation zwischen dem Team und dem Rest der Organisation kümmern. Barrieren abbauen, den Informationsfluss verbessern, Angriffe abwehren.
Ich sage dem Team nicht mehr wie sie ihre Arbeit machen sollen. Ich sage dem Team was wir alle miteinander erreichen wollen. Kläre Unstimmigkeiten in der Zielsetzung. Kümmere mich darum das sie alles haben was sie zum Arbeiten brauchen. Beobachte sie um rechtzeitig zu sehen wenn es irgendwo eng wird, oder knirscht. Ein guter Teamleiter hat ein Gefühl für sein Team. Ein guter Teamleiter ist schon da wenn jemand gerade merkt das er Hilfe braucht. Ein guter Teamleiter ist einer bei dem die Mitglieder des Teams sich auf ihre Arbeit konzentrieren können weil sie wissen das der Teamleiter hinter ihnen steht. Wie man im englischen zu sagen pflegt: „i got your back„.
Oder wie ich zu sagen pflege: bring die richtigen Leute zusammen, und dann sorge dafür das sie arbeiten können. Das ist Dein Job.
Kommentare
Eine Antwort zu „Team-Leitung?“
[…] das mit den Teams heute deutlich komplexer ist als früher (siehe auch), hier ein Tipp zum […]