Führungsstil

Es gibt bessere und es gibt schlechtere, je nach Situation.

Nachdem wir uns mit der Motivation zur Wahl von Führungs-Methoden kürzlich beschäftigt haben (siehe auch), sollten wir uns ein paar Methoden anschauen.

Blickwinkel

Bei der Frage nach der „richtigen“ oder „besten“ Methode ist aus Sicht der Wissenschaft auch immer, völlig korrekt, die Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit zu stellen. Müssen Menschen überhaupt geführt werden? Wollen Menschen überhaupt geführt werden?

Die Antwort zur Notwendigkeit lautet bis heute „ja“. Auch wenn wir immer wieder Methoden der eigenverantwortlichen Arbeit erprobt haben, ist man bisher nicht ohne eine generelle Richtungsvorgabe ausgekommen. Eine Gemeinschaft gleich welcher Art und Größe benötigt ein gemeinsames Verständnis eines Ziels oder einer Aufgabe, um überhaupt eigenständig entscheiden zu können was gut oder schlecht für die gemeinsame Unternehmung ist. Genau so wie Menschengruppen immer einen Konsens bezüglich Ethik und Wertvorstellungen für ein friedliches Zusammenleben benötigen.

Es wird auch immer Situationen geben in denen es keine Einigung zwischen verschiedenen Meinungen gibt. Dann muss eine Entscheidung her, unter Umständen „von oben“ oder zumindest von neutraler Stelle. Hier gehen wir in den Bereich über in dem wir evolutionär feststellen das Menschen durchaus dazu neigen diesen Zustand selbst zu erzeugen. Sobald eine Gruppe von Menschen eine gewisse Größe erreicht, bestimmen sie fast automatisch eine Person die eine gewisse Führung übernimmt. Eine entscheidende Instanz, die Streit schlichten, Recht sprechen und im Falle von Krisen auch die Initiative ergreifen kann. Der Vorgang scheint intuitiv zu sein: Wenn wir uns nicht einigen können, suchen wir eine Person die für uns entscheidet. Wichtig ist das wir die Person für kompetent halten und, ganz wichtig, für neutral innerhalb der Gruppe. Wenn wir den Eindruck gewinnen das die führende Person Teile der Gruppe bevorzugt gibt es Konflikte.

Bei der Frage ob Menschen grundsätzlich immer geführt werden wollen wird es aber schwieriger. Viele Menschen sind ganz zufrieden damit, nicht die Verantwortung tragen zu müssen. Einige Individuen zeigen aber auch eine gewisse Abneigung gegen Vorschriften und Vorgaben. Das Maß der Abneigung ist in der Regel auch von dem Maß an Vorschriften abhängig und kann sich individuell und sehr vielschichtig darstellen. In Ausnahmefällen besteht auch eine völlige Abneigung gegen jedwede Regelung. Hier kann man mehrere Gründe anführen. Einerseits ein individuelles Streben nach gesellschaftlichem Aufstieg oder Anerkennung das, sofern erfolglos und somit unbefriedigt, zur Ablehnung der alternativ anerkannten Person führt. Andererseits ein individueller Freiheitsdrang der in Einzelfällen so ausgeprägt ist, das eine funktionierende Teilnahme an einer Gruppe oder Gesellschaft praktisch ausgeschlossen ist. Aus dieser Perspektive gewinnen wir zwei Erkenntnisse: zum einen können wir durch sanfte oder kooperative Führung die Hürden abbauen wenn es um Eigenständigkeit, Anerkennung, Autonomie und Ablehnung von Autokratie geht. Zum anderen müssen wir hier und da akzeptieren das manche Menschen gar nicht geführt werden wollen.

Letztendlich benötigen wir also ein gewisses Maß an Führung um eine gemeinsame Orientierung zu entwickeln. Manchmal auch als letzte Instanz um Konflikte zu lösen. Je nach Organisation und Umgebungsbedingungen kann die Führung, notwendigerweise zum Beispiel in Sicherheitsbereichen, mit strengen Regeln versehen sein. Generell scheint es aber ratsam den Bogen nicht zu überspannen. Auch hier, besteht die Kunst offensichtlich darin, das richtige Maß zu finden.

Übersicht

Wissenschaftlich betrachtet unterscheidet sich Führung in Lebensführung, Menschenführung und Unternehmensführung. Letztere unterteilt sich noch in Personalführung und Teamführung. Für unsere Betrachtung können wir einen vereinfachten Blickwinkel anlegen: Die Führung von Individuen oder Teams, hier im speziellen die Führung von Menschen in einer begrenzten Anzahl, maximal Teamgröße.

Es gibt einige Methoden zur Führung von Teams, neue wie alte, die aktuell im Gespräch sind. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile genau so wie jede Methode in bestimmten Anwendungsfällen ihre Daseinsberechtigung hat. Welche der Methoden auf eine Top-Ten-Liste gehören unterscheidet sich je nach Autor. Einige der Methoden möchte ich aber zumindest ansprechen. Ich verzichte dabei bewusst auf eine Rangfolge sondern betrachte es eher als mehrfache Gegenüberstellung. Ganz im Sinne von „Je nach Situation das beste aus der Methode heraussuchen“.

Also machen wir eine Liste:

  • autokratisch
  • bürokratisch
  • charismatisch
  • coachend
  • demokratisch
  • dienend
  • laissez-faire

und betrachten die jeweiligen Methoden in aller Kürze.

Die autokratische Führung kennen wir vor allem aus früheren Zeiten in der Industrie (oder dem Militär). Sie zeichnet sich durch Umgebungen aus in denen man Personal für austauschbar hält oder glaubt das alle nur tun müssen was man sagt. Der Zweck der Mitarbeitenden ist es ihre Aufgaben zu erfüllen und bei Problemen ersetzt zu werden. Die Aufgaben und Vorgehensweisen werden von der Führung vorgegeben, Mitsprache von Seiten Personal ist nicht vorgesehen. Austauschbarkeit durch einpassen neuer Personen mit standardisierter Ausbildung in vorgegebene Vorgehensweisen. Diese Führung kann sich sehr gut auch in großen Hierarchien über alle Ebenen erstrecken. Vorteil dieser Methode ist die Umsetzung auch strenger Vorschriften zum Beispiel in gefährlichen Umgebungen, sowie die Möglichkeit schnell neue Kräfte in bestehende Bereiche einordnen oder umgruppieren zu können. Große Schwachstelle dieser Führung ist die Abhängigkeit von der führenden Person. Das geht soweit das es bei bewaffneten Konflikten in früheren Jahrhunderten vermieden wurde auf Offiziere zu schießen, weil man dann ein unkontrollierbares Chaos auf dem Schlachtfeld befürchtete. Das fürchtete man anscheinend so sehr das es für beide Seiten besser schien die Offiziere der jeweils anderen Seite in Ruhe zu lassen.

Die bürokratische Führung kennen wir alle aus der, richtig, Bürokratie. Passerschein A38. Sie hat einen sehr schlechten Ruf, ist aber im Grunde eine autokratische Führung in Papierform. Selbst bei Ausfall der autokratisch führenden Person würde die Bürokratie noch funktionieren. Die Arbeitsabläufe stehen alle in den Vorschriften, die Informationen wandern mittels Formularen durch die Organisation. Das ganze System ist aufeinander abgestimmt wie ein Uhrwerk. Die Bürokratie ist eine sehr stabile Form der Verwaltung. Logischerweise auch nicht sehr flexibel bei Veränderungen. Sollten sich Fehler einschleichen oder eine mangelnde Performance festgestellt werden, wird es sehr schwierig diese zu beseitigen ohne das ganze Gebilde ins Wanken zu bringen. Zusätzlich entfremdet sie. Man kann eine Bürokratie so aufbauen das Menschen gar nicht mehr miteinander agieren. Das geht auch auf Team-Ebene. Wenn Probleme in der Kommunikation mit Prozessen und formell definierten Schnittstellen bekämpft werden, entsteht schnell ein Team dessen Kommunikation kein Problem mehr ist, weil sie nicht mehr stattfinden muss.

Die charismatische Führung sehen wir oft in Startups. Hier haben wie eine Person mit einer gewissen Ausstrahlung, die es schafft alle anderen anzustecken und mitzuziehen, nicht selten mit scheinbar unerschöpflicher Energie. Das klappt in der Regel bis zu einer gewissen Größe der Gruppe. Also nur so lange, wie die Strahlkraft der Person über die ganze Gruppe reicht. Das System ist auch sehr abhängig von der führenden Person, bei Ausfall ist die Gruppe praktisch sofort orientierungslos. Vorteil ist oft die automatisch generierte Motivation. Charismatische Führungskräfte benötigen meist nur ein Gespräch um die Mitarbeitenden mit ganz neuer Energie auf die Reise zu schicken. Für die charismatische Führung braucht es natürlich charismatische Personen. Die Mitarbeitenden empfinden es meist gerade am Anfang als stark motivierend, sind möglicherweise begeistert und mitgerissen, können aber bei einer späteren (rückblickenden) Betrachtung sogar das Gefühl bekommen das sie manipuliert wurden. Persönlichkeiten wie Elon Musk sind hier ein gutes Beispiel. Es gibt viele Mitarbeiter die sich anfangs begeistert fühlten, später aber feststellten das sie das Tempo und die Erwartungen nicht dauerhaft erfüllen konnten. Sich teilweise sogar rückblickend fragen was sie da eigentlich gemacht haben, sich so sehr von der Arbeit vereinnahmen zu lassen. Spätestens dann stellt sich das Gefühl ein man hätte sich auf mehr eingelassen als man wollte. Bei dieser Methode ist für einen langfristigen Erfolg besonders wichtig welche Art des Charisma im Spiel ist, und wie es angewendet wird.

Die coachende Führung ist nicht so bekannt. Sie wird auch deutlich seltener als eigenständige Methode gesehen, bei genauerer Betrachtung findet sie sich aber oft bei Führungskräften die als „gut“ wahrgenommen werden. Solche Führungskräfte fördern ihre Mitarbeitenden in der persönlichen und beruflichen Entwicklung, weisen sie auf ihre Stärken hin wenn sie diese selber nicht sehen, ermutigen sie an Schwächen und Ängsten zu arbeiten. Manchmal führt diese Methode so weit das Führungskräfte ihren Mitarbeitern Möglichkeiten der Entwicklung oder des Aufstiegs aufzeigen, selbst wenn das bedeutet das eigene Team zu verlassen.

Die demokratische Führung bezieht die Mitarbeitenden generell in Entscheidungen ein und versucht immer einen Konsens herzustellen. In der Theorie führt das zu mehr Beteiligung und mehr Unterstützung aller für die gemeinsam gefundene Lösung. In der Praxis zeigt sich das die Vorteile nur eintreten wenn der Konsens gefunden wurde, also ein Kompromiss den alle Beteiligten ausreichend gut finden. Sollte der Kompromiss für alle Beteiligten oder für eine überstimmte Minderheit zu unangenehm sein, bleibt die Unterstützung meist aus. Schlimmstenfalls führt es zu einer Spaltung des Teams. Mit der demokratischen Führung erkaufen wir uns also alle Vor- und Nachteile die wir von einer staatlichen Demokratie kennen: Alle können mitbestimmen, die Mehrheit bekommt am Ende eher was sie will, es kann politische Bestrebungen geben Stimmen zu sammeln, in schwierigen Zeiten kann es schwer sein die verschiedenen Meinungen beisammen zu halten. Eine rein demokratische Führung lässt sich nicht in allen Umgebungen umsetzen. Je nach Umgebung wird es aber mehr oder weniger viele Situationen geben in denen einzelne Fälle sehr gut demokratisch gelöst werden können.

Die dienende Führung (servant leadership) erinnert an Friedrich den Großen, den „ersten Diener des Staates“. Tatsächlich beschreibt es das schon ganz gut, und deckt sich mit meiner Empfehlung „sorge dafür das Dein Team arbeiten kann“ (siehe auch). Es geht darum die Hürden aus dem Weg zu räumen, Schwierigkeiten zu beseitigen, alles bereit zu stellen damit das Team selbstständig arbeiten kann. Eine starke Komponente ist hier die selbstständige Arbeit der Mitarbeitenden, die lediglich von der Führungskraft unterstützt (supported) wird, womit die Führungskraft die dienende (unterstützende) Rolle einnimmt. Die dienende Führung trifft man ebenfalls selten als alleinstehende Methode. Meistens ist sie eine Rolle die von einer guten Führungskraft je nach Bedarf mehr oder weniger stark ausgefüllt wird.

Die laissez-faire Führung ist salopp gesagt die Abwesenheit von Führung. Eine Führung ist zwar anwesend und ansprechbar im Bedarfsfall, die Mitarbeitenden können aber weitestgehend frei und unreguliert arbeiten. Diese Methode eignet sich gut für Teams in denen alle Beteiligten Experten auf ihrem Gebiet sind und die Zusammenarbeit sich weitestgehend logisch ergibt. Oder in Teams die schon so lange unverändert in ihrem Gebiet tätig sind das keine Steuerung mehr nötig ist. Sie fördert die Eigenständigkeit und erleichtert kreative Arbeit, erfordert aber ein Team mit viel Eigenmotivation und ausreichenden Softskills bei den Mitarbeitenden.

Schlussfolgerung

Schlussendlich finden wir kaum eine Organisation oder Gemeinschaft in der sich nur eine der Methoden identifizieren lässt. Fast immer finden wir Anteile mehrerer Methoden. Während die Teamleitung eines Unternehmens charismatisch funktionieren kann, kann gleichzeitig die Personalverwaltung des gleichen Unternehmens sehr bürokratisch und der Umgang mit Auszubildenden autokratisch organisiert sein. Das bestätigt nur das keine Methode die beste ist, sondern immer Teile von Methoden besser oder schlechter für die jeweiligen Situationen geeignet sind.

Gute Führungskräfte nutzen keine Methode alleinstehend, sondern von jeder Methode anteilig gerade so viel wie es für die jeweilige Situation geeignet ist. Daher dürfte die wichtigste Fähigkeit von Führungskräften nach wie vor die richtige Mischung aus strategischem Überblick und Empathie sein, mit der sie einschätzen können welches Mischungsverhältnis an Methoden für die jeweiligen Personen in der jeweiligen Situation am besten geeignet ist um die Unternehmung insgesamt langfristig voran zu bringen.

Dieses Mischungsverhältnis abzuwägen und einzustellen ist eine Wissenschaft für sich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenf%C3%BChrung

https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrungsstil