Man muss auch mal einen humorvollen Blick darauf werfen können.
Als man mir vor vielen Jahren von verschiedenen Management-Methoden erzählte, waren auch einige negativ-Beispiele dabei. Diese sollten in erster Linie dazu dienen sich selbst zu reflektieren oder Anzeichen dafür bei anderen zu erkennen. Wie das immer so ist, die Beispiele haben nichts an ihrer Aktualität verloren. Also schauen wir uns aus gegebenem Anlass einige an, angefangen mit meinen Favoriten:
Management by helicopter
„Immer über den Dingen schweben, ab und zu runter gehen, ordentlich Staub aufwirbeln, wieder abheben und davon schweben.“
Diese Variante findet man gar nicht so selten. Personen die irgendwie immer alles locker sehen (äußerlich betrachtet), cool wirken, nirgendwo echte Schwierigkeiten entdecken. Häufig hört man Aussagen wie „Das kann doch gar nicht so schwer sein …“, „Dann müssen wir das eben schnell ändern …“, „Können wir nicht einfach …“ oder „Warum setzt ihr das nicht einfach so um wie es der Kunde haben will?“. Diese Personen sind selten anwesend wenn es um die eigentliche Arbeit geht. Sollten sie doch anwesend sein, erzeugen sie nur Chaos. Eigentlich sind alle froh wenn sie weg sind.
Das Problem liegt meist tiefer. Ein typisches Szenario ist eine Führungskraft die wenig bis keine Fachkenntnis aus dem eigentlichen Aufgabengebiet hat. Sollte die Führungskraft über ausreichendes Selbstvertrauen verfügen kann sie eine Vertrauensbasis mit dem Team suchen um die eigene mangelnde Fachkenntnis aus dem Team zu holen. Fehlt es aber an diesem Selbstvertrauen entsteht Unsicherheit. Hier soll eine Person führen die keine Ahnung von dem hat was das Team tut, demzufolge auch nicht ermessen kann wie schwierig etwas ist, ob es überhaupt umgesetzt werden kann oder ob es Sinn macht.
Um das nicht zugeben zu müssen schwebt man einfach cool über den Dingen, gibt Anweisungen die blödsinnig sind und anschließend dem Team oder den Umständen die Schuld wenn es nicht klappt. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Tatsächlich kann man davon ausgehen das diese Situation für beide Seiten belastend ist und nicht nur aus wirtschaftlichen sondern auch aus menschlichen Gründen gelöst werden sollte.
Management by champignon
„Alle im dunkeln hatten, immer schön mit Dreck bedecken, wenn einer raus guckt, abschneiden.“
Was hier recht martialisch klingt ist ebenfalls sehr verbreitet. Die Mitarbeitenden werden mit Arbeit und/oder sinnlosen Formalien und überflüssigen Informationen eingedeckt und von den wichtigen Informationen fern gehalten. Diese Methode ist hilfreich wenn man möchte das alle schön geradeaus in der vorgesehenen Spur laufen und keine Eigeninitiative entwickeln. Ganz ähnlich zu Pilzen kann man dafür sorgen das sich die eigene Organisation auch nur unter der von einem selbst erzeugten Humus-Schicht entwickelt. Sobald jemand emporwächst oder „aus der Reihe tanzt“, wird gestutzt. Besonders in großen und hierarchischen Umgebungen wird es gerne als legitime Methode betrachtet den Informationsfluss zu begrenzen und dafür zu sorgen das „alle schön beschäftigt sind“.
Die Motivation zu dieser Methode kann mehrere Ursachen haben. Auch hier kann Unsicherheit in der Führung ein Faktor sein. Durch Kontrolle der Menschen, ihrer Umgebung und Möglichkeiten kann ich meine eigene Unkenntnis oder Unfähigkeit (scheinbar) gut verstecken. Wer soll mich in Frage stellen wenn ich die Welt definiere? Genau so gut kann Unsicherheit der eigenen Position oder Karriere ein Faktor sein. Wenn ich alle Personen um mich herum so klein wie möglich halten, erhöht das meine Chancen auf Rampenlicht und Beförderung. Oder einfach nur nicht ersetzt zu werden.
Das Problem in solchen Situationen ist nicht nur die massive psychische Belastung der Beteiligten. Sollte der Zustand länger anhalten kann der betroffene Bereich sich derart an die Umstände gewöhnen das ein Rückweg sehr schwierig wird. Personen, denen selbstständiges denken abgewöhnt wurde, werden nicht über Nacht wieder kreativ. Die Reparatur solcher Unternehmenszweige kostet viel Zeit, Geld und Nerven. Das ist allerdings besser als es „kaputt“ zu lassen. Wer weiß wie viel Potential dem Unternehmen entgangen ist oder noch entgeht?
Management by Darwin
„Alle in die Arena werfen und schauen wer sich durchsetzt.“
Diese Methode sieht man glücklicherweise nicht so oft. Sollte sie auftreten ist sie aber eine der gefährlichsten. Hier werden Personen bewusst gegeneinander gehetzt um zu sehen wer besteht. Statt einer Auswahl und Beförderung nach Talenten wird die Arena geöffnet und die Evolution soll entscheiden. Welche Arbeitsatmosphäre dabei entsteht kann man sich leicht ausrechnen.
Zu dieser Methode kann man kaum positive Motivationen finden. Gefunden wird sie meist in Bereichen in denen es schlicht um angriffslustige Mitarbeitende geht die möglichst optimale Ergebnisse erzielen. Wenn mir die Qualität meiner Arbeitsatmosphäre und das langfristige Ansehen meines Unternehmens egal ist, ich aber möglichst viel Geld verdienen und Konkurrenten ausstechen will, dann suche ich solche Menschen. Derart ausgewähltes Personal wird ohne Rücksicht auf Verluste den Markt erobern wollen, mit allen Mitteln.
Adressaten für solche Umgebungen gibt es immer wieder. Menschen die ein starkes Empfinden für Ehrgeiz haben. Die meisten derer die in einem solchen System bestehen, betrachten es als Auszeichnung und Bestätigung der eigenen Leistungsfähigkeit. Leider übersehen sie dabei häufig einen wichtigen Faktor. Das System an sich ist nicht darauf ausgelegt einen Menschen zu bestätigen oder zu belohnen. Es soll Menschen nur so lange im System halten wie sie sich selbst dort halten können. Sobald die Leistung nachlässt oder jemand besseres kommt, bist Du weg. Es geht also ausschließlich um eine ständige möglichst optimale Leistung, und zu keinem Zeitpunkt um irgendeinen Menschen. Diese Einsicht findet sich häufig bei Aussteigern aus solchen Systemen. Das Resümee ist: man kann sich in einen solchen Topf werfen, aber man sollte sich darauf vorbereiten das man vielleicht nur ein paar gute Jahre hat.
Management by Moses/Fallobst/Sanduhr
„Losziehen und auf ein Wunder hoffen.“, „Wenn es soweit ist wird uns die Entscheidung schon zufallen.“ oder „Wir lassen alles durchrieseln und Warten auf eine Wendung.“
Es gibt eine Reihe weiterer Management-Methoden unterschiedlicher Benennung, die sich darum drehen das man keine Vision erstellen kann oder will. Generell gemein haben sie eine gewisse Orientierungslosigkeit in der Führung die auf unterschiedlichste Art kaschiert wird. Hier schließt sich der Kreis zu vorherigen Management-Methoden, indem auch hier das Problem gerne mit vorgetäuschter Sicherheit, Mut zur Lücke oder gar Pseudo-Agilität überspielt wird. Frei nach dem Motto, da muss das Team einfach mal ein bisschen flexibel sein.
Die Gründe für solche Vorgehensweisen sind vielfältig. Sie können in mangelnder Sachkenntnis der Führung oder überforderten Führungskräften genau so zu finden sein wie in Unternehmen oder Unternehmensteilen deren Umfeld sich derart verändert hat das man sich komplett neu aufstellen muss, und bisher noch niemand weiß wie. Gerne gesehen auch bei großen Organisationen oder etablierten Unternehmen die irgendwann scheinbar zum Selbstweck existieren und augenscheinlich keine Notwendigkeit zur Anpassung sehen. Oder es handelt sich einfach um ein Projekt das komplettes Neuland betritt (und die Führungskraft ist damit überfordert).
Das Problem an der Lage ist natürlich das niemand im Team handlungsfähig ist wenn es keine Zielrichtung gibt. Statt dessen driftet man ziellos umher oder ständig ändern sich die Ziele (moving targets) und alle sind frustriert weil niemand weiß ob morgen nicht schon alles von heute für die Katz war. Niemand kann agieren, alle können nur reagieren.
Fazit
Eine Sache haben alle Negativ-Beispiele gemein: sie schränken die Handlungsfähigkeit der Organisation ein. Agiles arbeiten ist hier praktisch nicht möglich. Wenn der Anschein davon erweckt wird ist es nur Maskerade. Das nächste Problem ist die Belastung der Mitarbeitenden. Kaum jemand wird sich das lange antun, und wer es länger erträgt wird Spuren davontragen.
Beides sind gute Gründe dafür sich die Beispiele (oder gerne weitere) ab und an mal bewusst zu machen. Einfach mal reflektieren ob man selbst hier und da in einer schwierigen Situation schon mal zu einer der Methoden gegriffen hat. Einfach mal prüfen ob man im eigenen Umfeld hier und da Ansätze dieser Art findet. Und wenn ja? Abhilfe suchen! Im Sinne aller Beteiligten!