Überwachungs-Gesamtrechnung

Dieses Mal, ganz ohne Ironie. Es geht um was.

Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung gesagt:

Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.

Anders ausgedrückt, in der Zusammenfassung eines Artikels:

dass die Rechtfertigung der Maßnahme davon abhängig ist, dass gewährleistet wird, dass alle Überwachungsmaßnahmen zusammen keine Totalüberwachung der Bürger ermöglichen. Dies gehöre zur verfassungsrechtlichen Identität und werde zukünftig zu einer doppelten Verhältnismäßigkeitsprüfung von Überwachungsmaßnahmen führen: Die einzelne Maßnahme müsse für sich genommen verhältnismäßig sein und auch die Verhältnismäßigkeit der Gesamtbelastungen müsse festgestellt werden.

Denn ja, unser Land und seine Verfassung wurden eben nicht mit dem Zwecke konstruiert, alle seine Bürger unter Kontrolle halten zu können, sondern eben dies nicht tun zu können.

Nun reden alle von Prism. Ich auch schon mehrfach. Und ja, dieser eine Name allein reicht nicht aus, er gibt längst nicht alles wieder, er ist in Wirklichkeit, wenn auch derzeit hoch aufgehängt, nur der Zipfel eines Eisberges.

Daher beschwert man sich zurecht, wenn auch in markigen Worten, auf Netzpolitik.org darüber, das man diesen einen Namen nicht mehr hören kann. Dem gebe ich recht, ich mag auch kaum noch dazu schreiben, und frage mich seit Tagen wie oft ich diesen Begriff noch ertragen kann.

Trotzdem verwende ich ihn. Warum?

Weil er für mich ein Sinnbild ist.

Zum einen muss ich sagen, das mir der Begriff von Anfang an einfach gefallen hat. Für mich ist es auch diese gewisse lautmalerische Ähnlichkeit zu dem Wort „Prison“, und für mich ist das, was die Regierungen der Welt derzeit unter dem Deckmantel der Sicherheit versuchen zu konstruieren, ein goldener Käfig, der zwar gelogen ist, aber so argumentieren sie eben. Dieser Käfig gillt dabei in beiderlei Hinsicht, sowohl für die scheinbar sicheren Bürger, als auch für die Politik, die sich aus dem selbst eingeschlagenen Weg und ihrem eigenen Käfig schon nicht mehr befreien kann, ohne die Glaubwürdigkeit vollends zu verlieren. Da gibt es für mich ein gefühltes „irgendwie passt das“.

Zum anderen begrüße ich das große Echo und viele Gerede. Edward Snowden war nicht der erste, der versucht hat auf die Missstände aufmerksam zu machen. Er war auch nicht der erste, der Erfolg damit hatte. Aber vor ihm, hat es noch nie ein so großes Echo gegeben. Es war wohl an der Zeit dafür. Ich bedaure es, das die vorherigen Versuche weniger Erfolg hatten, und ich bedaure zutiefst, das die Versuchenden mit noch mehr persönlichen Konsequenzen leben müssen. Trotzdem begrüße ich, das es nun endlich ein Thema ist.

Aber ja, Prism ist nicht das einzige. Selbst in der Snowden-Geschichte ist es noch nicht mal der Spitzenreiter, selbst da steht es vermutlich gleich auf mit Tempora, von dem kaum noch jemand spricht, ganz zu schweigen von all den anderen Missständen und vor allem ganz zu schweigen von dem eigentlichen Problem, der Tatsache das unsere Politiker das alles gewollt haben und wir als Bevölkerung nicht aufgepasst haben. Damit haben beide Seiten Fehler begangen, die einen aktiv, die anderen passiv. Die Programme sind nur ein Symptom, eine logische Folge, Pflanzen die aus Samen erwuchsen. Die Ursache und die Samen dieser Pflanzen, liegen ganz wo anders.

Trotzdem ist es mein Leitbegriff. Aus einem dritten Grund: Für mich waren es auch immer die USA, die allen voran in diese Richtung stürmten, die den Nährboden bereiteten, die Pflanzensamen verteilten, und andere auch durchaus zur Aussaat zwangen. Ganz zu schweigen davon, das sie die größten Gärtner in diesem Garten sind. Die Amerikaner und ihre Unfähigkeit, sich von den ihre Arroganz zerschlagenden Terrorangriffen zu erholen, sind eine Wurzel dieses Problems. Ausgerechnet die Amerikaner, die sich immer als das Zentrum der freien Welt betrachtet haben. Ausgerechnet die, verwirklichen den Orwell-Staat in Form ihrer erstrebten Weltherrschaft.

Deswegen steht bei mir immer wieder das Wort „Prism“ in den Überschriften, auch wenn ich es selbst nicht mehr hören kann. Als Label. Als Aushängeschild. Als Mahnung wo hin es einen Staat führt, wenn er sich nicht von sich selbst erholen kann.

Denn wenn ein Land, da sich zur Verteidigung gezwungen sieht, in allem Eifer dieser Verteidung, seine eigenen Grundwerte vergisst, dann, und ich wiederhole ein Zitat das ich heute bereits verwendet habe:

Dann stirbt die Freiheit an ihrer Verteidigung.

Die USA hatten mit all ihren Maßnahmen sicher auch die ein oder andere gute Absicht. Aber der Pfad zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten. Und derzeit, gehen sie einfach weiter. Schritt um Schritt, und blicken weder rechts noch links, und schon gar nicht in den Spiegel. Seht in den Spiegel, Vereinigte Staaten, und fragt euch, ob ihr heute noch „The Land of the Free“ seid. Fragt euch das, und dann lasst uns endlich mal wieder vernünftig miteinander reden, über die Ideale die wir mal verteidigen wollten.

MfG


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