Line in the Sand

09. September. Dreizehn Tage vor der Bundestagswahl 2013. Wenn ich mich umschaue, wirken die Dinge nach Business as usual. Wahlplakate überall. Die Botschaften so unglaubwürdig wie eh und je. Die Wellen um Prism und co flauen ab. Hier und da nach wie vor Neuigkeiten, doch nicht annähernd irgendeine ernsthafte Reaktion zu sehen.

Ich habe mir ein paar Tage lang die Mühe gemacht alles mögliche dazu zu posten. Langfristig scheint mir das jedoch wenig sinnvoll. Die Dinge stehen dort, und sind leicht zu finden, für jeden der sie finden will. Im Netz wird weiter berichtet. Die Informationen fließen noch. Sie sind leicht zu empfangen, für jeden, der sie empfangen will. Hoffen wir das es so bleibt.

Die Unternehmen und Regierungen observieren und intervenieren. Sie tun ihr bestes um das Netz zu kontrollieren. Sie gehen immer weiter. Sie wollen überwachen, und sie wollen den Informationsfluss steuern. Das ist kein Geheimniss und keine Schwarzmalerei, das sind die Fakten unserer Zeit. Und die Logik ist ja auch nachvollziehbar, ich verstehe deren Standpunkt.

Das Internet war mal ein freier Raum. Vielen, besonders den Mächtigen, hat das anscheinend eine Heidenangst eingejagt, wie man an ihren vielfältigen Kommentaren ablesen kann.

Nun sehen wir den massiven Angriff auf diesen freien Raum. Und das ist schade. Natürlich, wie jeder freie Raum, gab es nicht nur gutes. Es gab sicher auch fragwürdiges, und es gab ganz sicher auch abzulehnendes. Doch am Ende ist es immer die subjektive Einschätzung die eine solche Bewertung vornimmt. Auch wenn neunzig Prozent einer Gesellschaft etwas als abstoßend empfindet, so sind da noch zehn Prozent die das nicht finden, und ohne wenn und aber, ist auch das ein Teil unserer Kultur, ganz einfach weil es da ist. Egal wie wiederwertig wir etwas finden, und ich meine wirklich, wirklich wiederwertig, wenn es existiert, ist es Teil unserer Kultur und unserer Geschichte. Leugnen, hieße uns selber Leugnen. Es verbannen, hieße nichts weiter, als die Augen zu verschließen. Es ist da, und es wird weiter da sein, vollkommen egal wie oft wir es löschen oder verbieten. Das ändert nichts an seiner Existenz.

„Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen“ – Voltaire

“Für Menschen, die etwas aus dem 18. Jhdt gelernt haben, ist es ein kaum diskussionswürdiger Gemeinplatz, dass die Verteidigung des Rechts auf Meinungsfreiheit nicht auf Ideen beschränkt ist, die man befürwortet, und dass wir diese Rechte genau bei jenen Ansichten am stärksten verteidigen müssen, die wir am widerwertigsten finden. Die Verteidigung des Rechts Meinungen auszudrücken, die allgemein befürwortet werden, hat ganz offensichtlich keinerlei Bedeutung.” – Noam Chomsky

Und Vielfalt muss nicht schlecht sein. Trotz all der schlechten Dinge darin, vor denen auch mir manches mal das Schaudern kommt, aber eines wissen wir doch: wenn sich dort alles findet, dann lässt sich auch nichts verbergen. Wie viele unsichere Quellen gibt es. Wie oft werden wir belogen. Wie leicht lässt es sich lügen, wenn keine alternativen Informationen vorhanden sind, wenn man niemanden fragen kann, wenn man nirgendwo lesen kann, wenn niemand die Chance hat seine Version der Dinge darzustellen? In der Vergangenheit mussten wir glauben was Fernsehen und Zeitung verkündeten. Heute, wo wir so viele Alternativen haben, ist erst offensichtlich geworden wie sehr die Medien lügen und manipulieren. Es gibt wissenschaftliche Arbeiten zu diesen Thema. Und wo findet man die? Richtig. Wir würden nichts von diesen Arbeiten wissen, weil den Wissenschaftlern nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um sich gegen die Marktmacht einer Medienlandschaft derart durchzusetzen, das diese etwas veröffentlich von dem sie nichts wissen wollen. Aber im Internet, können sie publizieren. Und jeder der nach solchen Dingen sucht, wird es finden. Und wer es nicht wissen will, muss nicht suchen. Aber der Punkt ist: wir enscheiden ob wir es suchen oder nicht.

Insgesamt halte ich das Phänomen der grassierenden Verschwörungstheorien für eine Vertrauenskrise gegenüber den traditionellen Medien. Und diese Vertrauenskrise kommt nicht von ungefähr. Wikileaks hat uns vor Augen geführt, wie schlecht die Arbeit der Redakteure ist. Während Anfang der 70er Jahre die New York Times noch bereitwillig Top-Secret Dokumente des Pentagons veröffentlichte, tragen Whistleblower heute (in den Augen des Chefredakteurs) “schmutzige Socken” und haben ein “aufgeblasenes Ego”. Die sogenannte Vierte Gewalt ist zu einer PR-Abteilung der Regierenden verkommen.

https://auspacken.wordpress.com/

Und am Ende, stellt sich mir die Frage, ob dieses erste Mal, in dem eine von Menschen erschaffene Umgebung, eine freie und vollkommen unkontrollierte Meinungsäußerung ermöglicht, einen zensurfreien weltweiten Kommunikationsmechanismus, den es in dieser Form noch nie in der angeblich nach einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft strebenden Menschheitsgeschichte gegeben hat, dieses kleine oder große Wunder unserer Zeit, dieses vielleicht, möglicherwiese, für die Fortentwicklung der Kultur unserer Spezies sogar größte Werkzeug aller Zeiten, dieses einmalige Ding, das zum ersten Mal überhaupt, wirklich allen Menschen eine Stimme geben könnte, ob dieses Gut, nicht ein paar Risiken wert ist? Ob es das nicht Wert ist, dafür zu kämpfen?

Ich denke schon. Etwas wie das Internet, dieses Netz der Netze, dieses passive Sprachrohr für jedermann. Diese Option der Publikation jedes Gedanken den ein Mensch publizieren möchte. Die Möglichkeit, mit geringsten finanziellen Mitteln, seine Gedanken in eine Form zu bringen, die sie anderen zugänglich macht. Ohne das man ihm Schranken durch Macht oder Geld oder Handlungsmöglichkeiten auferlegt. So etwas hat es vorher nie gegeben. Wenn wir das nicht bewahren, wird es das vielleicht auch nie wieder geben.

Ein freies Netz. Freie Rede. Freie Kommunikation. Freie Information. Weltwissen für jedermann, unabhängig davon auf welche Schule er geht, welche Bibliotheken seine Stadt führt oder welche Reisen zu anderen kulturellen Orten er sich leisten kann.

Das war die Idee, die so viele, mit dem Netz verbanden. Man sagt Ideen können nicht sterben. Aber man sagt auch, das die Zeit für manche Ideen noch nicht reif ist. So vermutlich auch mit dieser. Seit Jahrhunderten reden die Menschen von einer freien Welt, in der jeder Mensch das Recht hat zu sprechen, und alle gleich sein sollen. Nun, jetzt wo wir kurz davor sind, jagt es uns eine höllische Angst ein, und wir merken das wir das eigentlich nie wollten. Wir wollten nie wirklich mit allen Gedanken konfrontiert werden. Wir wollten bitteschön nur sehen was wir sehen wollen. Wir wollen uns nicht damit auseinandersetzen, das es diese anderen Gedanken auch gibt, vor denen wir lieber die Augen verschließen und so tun als wären sie nicht da. Wie das Kind das sich hinter dem Sofa versteckt, und die Hände vor die Augen hält, damit es nicht gesehen wird.

Und so zeigen die USA ihre Stärken in der Macht der Sammlung, und die Briten kopieren die Internet-Filtermechanismen der Chinesen zur Installation in ihrem Land, und alle schließen die Augen.

Nun, möglicherweise ist die Zeit noch nicht reif für diese Ideen. Das bedeutet jedoch, wir sind noch nicht reif für eine freie Welt. Das ist es was wir dieser Tage entscheiden müssen. Das, und nicht weniger als das. Und das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Dies ist meine Linie im Sand. Meine Entscheidung ist gefallen. Bis hier her und nicht weiter.

Also lest! In dreiteufelsnamen, lest! Lest so lange es noch Sinn macht …

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